Urteile mit Relevanz zum Maschinenbau

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EuGH: Produkthaftung: Gerichtliche Zuständigkeit

EuGH -Rechtssache C-45/13- vom 16. Januar 2014

"Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Haftung für ein fehlerhaftes Produkt – In einem Mitgliedstaat hergestellte und in einem anderen Mitgliedstaat verkaufte Ware – Auslegung des Begriffs des "Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht" – Ort des ursächlichen Geschehens"

Sachverhalt:

Ein österreichischer Bürger hatte in Österreich ein in Deutschland hergestelltes Fahrrad erworben. Mit diesem Fahrrad war dieser Bürger dann in Deutschland verunfallt. Der Verunfallte verklagte den deutschen Hersteller des Fahrrads vor einem österreichischen Gericht. Hinsichtlich der Zuständigkeit der österreichischen Gerichtsbarkeit stützte sich der Kläger auf "Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001. Der Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses liege in Österreich, weil das Fahrrad dort in dem Sinne in Verkehr gebracht worden sei, dass es dort dem Endnutzer in Form eines kommerziellen Vertriebs zur Verfügung gestellt worden sei."

Der Hersteller sah hingegen den "Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses" in Deutschland.

Insofern hatte das österreichische Gericht den EuGH mit der Frage befasst, was unter der Formulierung "Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses" zu verstehen ist.

Der EuGH hat in der Sache wie folgt entschieden:

"Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass die Haftung eines Herstellers für ein fehlerhaftes Produkt geltend gemacht wird, der Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses der Ort ist, an dem das betreffende Produkt hergestellt wurde."

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EuGH: Pflichten eines innergemeinschaftlichen "Importeurs"

EuGH -Rechtssache C-40/04- vom 8. September 2005

Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften, die den Importeur zur Überprüfung der Sicherheit einer Maschine, der eine EG-Konformitätserklärung beigefügt ist, verpflichten.

Leitsätze

1. Die Bestimmungen der Richtlinie 98/37 über Maschinen stehen der Anwendung nationaler Vorschriften entgegen, nach denen derjenige, der eine in einem Mitgliedstaat hergestellte Maschine, die mit der CE-Kennzeichnung versehen ist und der eine EG-Konformitätserklärung beigefügt ist, in einen anderen Mitgliedstaat einführt, dafür zu sorgen hat, dass diese Maschine den in dieser Richtlinie festgelegten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen genügt.

Das Hauptziel dieser Richtlinie, die Modalitäten des Konformitätsnachweises für Maschinen zu vereinfachen, um den freien Verkehr mit ihnen im Binnenmarkt so weit wie möglich zu gewährleisten, wäre nämlich beeinträchtigt, wenn auch Wirtschaftsteilnehmer nach dem Hersteller, insbesondere Importeure, die Maschinen aus einem Mitgliedstaat in einen anderen einführen, für deren Konformität verantwortlich gemacht werden könnten.

(vgl. Randnrn. 45-46, 61, Tenor 1)

2. Die Bestimmungen der Richtlinie 98/37 über Maschinen stehen der Anwendung nationaler Vorschriften nicht entgegen, nach denen derjenige, der eine in einem Mitgliedstaat hergestellte Maschine in einen anderen Mitgliedstaat einführt, verpflichtet ist,

  • sich vor der Lieferung der Maschine an den Benutzer zu vergewissern, dass diese mit der CE-Kennzeichnung versehen ist und ihr eine EG-Konformitätserklärung mit einer Übersetzung in der oder den Sprache(n) des Einfuhrmitgliedstaats sowie eine Betriebsanleitung mit einer Übersetzung in der oder den Sprache(n) dieses Staates beigefügt sind,
  • nach der Lieferung der Maschine an den Benutzer alle Auskünfte zu erteilen und Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, die für die nationalen Kontrollbehörden zweckdienlich sind, wenn sich herausstellt, dass von dieser Maschine Gefahren für die Sicherheit oder die Gesundheit ausgehen, sofern diese Erfordernisse nicht darauf hinauslaufen, dass der Importeur verpflichtet wird, selbst festzustellen, ob die Maschine den in der Richtlinie 98/37 festgelegten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen entspricht.

(vgl. Randnrn. 48-49, 52, 61, Tenor 2)

3. Zwar erlegt die Richtlinie 98/37 den Mitgliedstaaten keine präzise Verpflichtung in Bezug auf die Sanktionsregelung auf, doch kann daraus nicht geschlossen werden, dass nationale Bestimmungen, die Verstöße gegen die Verpflichtungen aus den Rechtsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie mit Strafe bedrohen, mit der Richtlinie unvereinbar wären. Die Mitgliedstaaten sind nämlich im Rahmen der ihnen durch Artikel 249 Absatz 3 EG zuerkannten Freiheit verpflichtet, diejenigen Formen und Mittel zu wählen, die für die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinien am geeignetsten sind, und sie haben nach Artikel 10 EG unter den genannten Voraussetzungen alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten.

Die Artikel 10 EG und 249 Absatz 3 EG sind daher dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht verbieten, Strafsanktionen anzuwenden, um die Beachtung der in der Richtlinie 98/37 vorgesehenen Verpflichtungen in zweckdienlicher Weise zu gewährleisten, sofern diese Sanktionen denen entsprechen, die für nach Art und Schwere gleiche Verstöße gegen das nationale Recht gelten, und sofern sie jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.

(vgl. Randnrn. 57-61, Tenor 3)

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EuGH zu Bauregelliste: Nationale Bestimmungen zusätzlich zu "CE" sind unzulässig

EuGH -Rechtssache C-100/13- vom 16. Januar 2014

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Freier Warenverkehr – Regelung eines Mitgliedstaats, nach der bestimmte Bauprodukte, die mit der Konformitätskennzeichnung ‚CE‘ versehen sind, zusätzlichen nationalen Normen entsprechen müssen – Bauregellisten“

gegen die Bundesrepublik Deutschland

Konkret geht es in dem Urteil zwar nur um bestimmte Rohrleitungsdichtstoffe, Wärmedämmstoffe und Tore, Fenster und Außentüren, die nach nationalem deutschen Recht zusätzlich zu der CE-Kennzeichnung das deutsche "Ü-Zeichen" tragen müssen. Es ist aber wohl übertragbar auch auf andere (Bau-)produkte in denen vergleichbar gegen EU-Recht verstoßen wird, da kaum anzunehmen ist, dass der EuGH in solchen Fällen anders entscheiden würde. Diese drei Produkte waren im Übrigen von der EU-Kommission lediglich beispielhaft auch für andere Produkte für die Klage ausgewählt worden. Deutlich macht der EuGH in seinem Urteil u.a., dass ein Mitgliedstaat auch dann keine zusätzlichen nationalen Regelungen treffen darf, wenn er davon ausgeht, dass die innergemeinschaftlichen Regelungen (hier verpflichtend einzuhaltende harmonisierte Normen) nicht ausreichen.

In dem Urteil wird u.a. ausgeführt:

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte [...] verstoßen hat, dass die deutschen Behörden die Bauregellisten dazu verwenden, zusätzliche Zulassungen für den wirksamen Marktzugang und die Verwendung von Bauprodukten zu verlangen, statt die erforderlichen Bewertungsmethoden und ‑kriterien im Rahmen der europäischen harmonisierten Normen aufzunehmen.

[...]

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 89/106 bestimmte:
„Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Verkehr, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Produkten, die dieser Richtlinie entsprechen, auf ihrem Gebiet nicht behindern.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die zweckentsprechende Verwendung dieser Produkte nicht durch Vorschriften oder Bedingungen behindert wird, die von öffentlichen oder privaten Stellen festgelegt werden, die als öffentliches Unternehmen oder als öffentliche Einrichtung aufgrund einer Monopolstellung handeln.

[...]“

Abschließend stellt der EuGH in seinem Urteil fest:

"Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 geänderten Fassung verstoßen, dass sie durch die Bauregellisten, auf die die Bauordnungen der Bundesländer verweisen, zusätzliche Anforderungen für den wirksamen Marktzugang und die Verwendung von Bauprodukten in Deutschland gestellt hat, die von den harmonisierten Normen EN 681-2:2000 („Elastomer-Dichtungen – Werkstoff-Anforderungen für Rohrleitungs-Dichtungen für Anwendungen in der Wasserversorgung und Entwässerung – Teil 2: Thermoplastische Elastomere“), EN 13162:2008 („Wärmedämmstoffe für Gebäude – Werkmäßig hergestellte Produkte aus Mineralwolle [MW] – Spezifikation“) und EN 13241-1 („Tore – Produktnorm – Teil 1: Produkte ohne Feuer- und Rauchschutzeigenschaften“) erfasst wurden und mit der CE-Kennzeichnung versehen waren."

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EuGH - Anwendungsbereich der EN 1090-1:2009+A1:2011

EuGH -Rechtssache C-630/16- vom 14. Dezember 2017

"Vorlage zur Vorabentscheidung – Harmonisierte Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten – Harmonisierte Norm EN 1090 1:2009+A1:2011 – Kriterien für die Bestimmung des Anwendungsbereichs einer vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) im Auftrag der Europäischen Kommission angenommenen Norm – Abhängeteile, die im Beton vor dessen Erhärten befestigt werden und für die Verbindung von Schalenelementen und Mauerwerkabfangungen mit dem Rahmenwerk des Gebäudes verwendet werden sollen"

Sachverhalt:

Einem finnischen Unternehmen war die CE-Kennzeichnung von bestimmten Produkten, die im Bauwesen Verwendung finden, von der zuständigen finnischen Behörde untersagt worden. Begründung war, dass die vom Hersteller angezogene harmonisierte Norm EN 1090 1:2009+A1:2011 nicht einschlägig ist und insofern auf dieser Basis keine Leistungserklärung ausgestellt und keine CE-Kennzeichnung angebracht werden darf.

Der EuGH hat in der Sache wie folgt entschieden:

"Die Norm EN 1090-1:2009+A1:2011 ("Ausführung von Stahltragwerken und Aluminiumtragwerken – Teil 1: Konformitätsnachweisverfahren für tragende Bauteile") ist dahin auszulegen, dass Produkte wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die zur Befestigung in Beton vor dessen Erhärten dienen, in ihren Anwendungsbereich fallen, wenn sie eine Trägerfunktion in dem Sinne haben, dass ihre Entfernung aus einem Bauwerk unmittelbar dessen Standfestigkeit verringern würde."

Dabei stellte der EuGH u.a. klar:

  • Für die Auslegung der Norm EN 1090-1:2009+A1:2011 ist erstens auf den Inhalt dieser Norm einschließlich ihrer Anhänge im Hinblick auf ihren Anwendungsbereich abzustellen.
  • Der Anwendungsbereich einer harmonisierten Norm ist nicht weiter auszulegen als der Anwendungsbereich des ihr zugrunde liegenden Mandats (hier Auftrag M 120).
  • Wenn eine harmonisierte Norm nicht ausdrücklich angibt, dass sie eine andere harmonisierte Norm oder eine oder mehrere Europäische Technische Bewertungen ersetzen soll, bleiben diese harmonisierten technischen Spezifikationen in Kraft und stellen eine abweichende Spezialregelung dar.
  • Die Auslegung dieser Normen obliegt letztlich dem Gerichtshof und nicht dem Urheber solcher Dokumente oder Zulassungen.
  • In Bezug auf Leitfäden, die von nationalen oder internationalen Normungsgremien herausgegeben werden, ist darauf hinzuweisen, dass solche Leitfäden, auch wenn sie den Anwendungsbereich der harmonisierten Normen, deren Fundstellen von der Kommission veröffentlicht werden, abstecken sollen, dennoch keine bindenden Rechtsakte in der Unionsrechtsordnung darstellen können. Daher haben sie keine Auswirkung auf die Auslegung einer harmonisierten Norm und binden auch nicht die nationalen Gerichte, selbst wenn sie einen nützlichen Wegweiser für die Umsetzung dieser Norm darstellen können.

Zum gesamten Urteil siehe:

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)
14. Dezember 2017

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EuGH: Unzulässige nationale deutsche Anforderungen an pyrotechnische Gegenstände

EuGH -Rechtssache C-220/04- vom 27. Oktober 2016

Mit ihrer Klage hatte die Europäische Kommission beantragt, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2007/23/EG über das Inverkehrbringen pyrotechnischer Gegenstände verletzt hat. Über die Anforderungen dieser Richtlinie hinaus und ungeachtet der zuvor erfolgten Konformitätsbewertung der pyrotechnischen Gegenstände hatte sie vorgeschrieben, dass:

  • diese Gegenstände vor ihrem Inverkehrbringen das Verfahren nach § 6 Abs. 4 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (SprengV) zu durchlaufen haben
    und
  • die Bundesanstalt für Materialforschung und ‑prüfung (BAM) gemäß dieser Vorschrift befugt ist, ihre Gebrauchsanleitungen zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern.

Der Gerichtshof (Dritte Kammer) hat in seinem Urteil für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2007/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Mai 2007 über das Inverkehrbringen pyrotechnischer Gegenstände verletzt, indem sie über die Anforderungen dieser Richtlinie hinaus und ungeachtet der zuvor erfolgten Konformitätsbewertung der pyrotechnischen Gegenstände vorschreibt, dass zum einen diese Gegenstände vor ihrem Inverkehrbringen das Verfahren nach § 6 Abs. 4 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz in der durch das Gesetz vom 25. Juli 2013 geänderten Fassung zu durchlaufen haben und zum anderen die Bundesanstalt für Materialforschung und ‑prüfung gemäß dieser Vorschrift befugt ist, ihre Gebrauchsanleitungen zu prüfen und gegebenenfalls zu ändern.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.

Zum kompletten Urteil siehe:

URTEIL DES EuGH
vom 27. Oktober 2016

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EuGH: Spezielle PSA für Streit- oder Ordnungskräfte

EuGH -Rechtssache C-103/01- vom 22. Mai 2003

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Richtlinie 89/686/EWG — Anwendungsbereich — Ausnahmen — Speziell für Streit- oder Ordnungskräfte entwickelte und hergestellte persönliche Schutzausrüstungen

Sachverhalt:

Die Bundesrepublik Deutschland wurde von der EU-Kommission verklagt, da Sie gegen die Bestimmungen der Richtlinie 89/686/EWG - Persönliche Schutzausrüstungen (PSA) - verstoßen hat. Die Vorschriften einzelner Bundesländer an persönliche Schutzausrüstungen für Feuerwehren enthielten zusätzliche Anforderungen zu der Richtlinie an PSA. Damit wurde der freie Warenverkehr in der Gemeinschaft mit PSA unzulässig eingeschränkt.

Das EuGH hat dazu ein Urteil mit folgendem Tenor erlassen:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 1 und 4 der Richtlinie 89/686/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für persönliche Schutzausrüstungen verstoßen, dass in den Vorschriften einzelner Bundesländer an persönliche Schutzausrüstungen für Feuerwehren, die den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen und mit der CE-Kennzeichnung versehen sind, zusätzliche Anforderungen gestellt werden.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.

Siehe hierzu das EU-Amtsblatt:

EuGH -Rechtssache C-103/01- vom 22. Mai 2003

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EuGH: Defekte Ware kostenlos austauschen?

EuGH -AZ: C-65/09- vom 16.06.2011

Mit seinem Urteil war der EuGH dem Ersuchen des BGH nach einer Vorabentscheidung  nachgekommen. In dem Urteil wird eine Entscheidung zu Gewährleistungsansprüchen von Verbrauchern getroffen, mit der die Rechte der Verbraucher gestärkt werden.

Liefert der Handel defekte Ware, muss er diese ggf. nicht nur ersetzen, sondern wie in dem konkret verhandelten Fall, sich an den Kosten des Ausbaus der defekten Fliesen und der Neuverlegung der Fliesen angemessen beteiligen.

Nachfolgend die Leitsätze des EuGH:

1. Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 1999/44 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass, wenn der vertragsgemäße Zustand eines vertragswidrigen Verbrauchsguts, das vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, durch Ersatzlieferung hergestellt wird, der Verkäufer verpflichtet ist, entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts notwendig sind. Diese Verpflichtung des Verkäufers besteht unabhängig davon, ob er sich im Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich gekaufte Verbrauchsgut einzubauen.

Diese Auslegung entspricht dem Zweck der Richtlinie, mit der, wie aus ihrem ersten Erwägungsgrund hervorgeht, ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden soll. In einem Fall, in dem keine der beiden Vertragsparteien schuldhaft gehandelt hat, ist es demnach gerechtfertigt, dem Verkäufer die Kosten für den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts aufzuerlegen, da diese Zusatzkosten zum einen vermieden worden wären, wenn der Verkäufer von vornherein seine vertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hätte, und zum anderen nunmehr notwendig sind, um den vertragsgemäßen Zustand des Verbrauchsguts herzustellen.

Nimmt der Verkäufer den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Gutes nicht selbst vor, ist es Sache des nationalen Gerichts, die für den Ausbau und den Einbau notwendigen Kosten zu ermitteln, deren Erstattung der Verbraucher verlangen kann.

(vgl. Randnrn. 55, 57, 61-62, Tenor 1)

2. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass er ausschließt, dass eine nationale gesetzliche Regelung dem Verkäufer das Recht gewährt, die Ersatzlieferung für ein vertragswidriges Verbrauchsgut als einzig mögliche Art der Abhilfe zu verweigern, weil sie ihm wegen der Verpflichtung, den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der Sache, in die es eingebaut wurde, und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts in diese Sache vorzunehmen, Kosten verursachen würde, die verglichen mit dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und der Bedeutung der Vertragswidrigkeit unverhältnismäßig wären. Art. 3 Abs. 3 schließt jedoch nicht aus, dass der Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der Kosten für den Ausbau des mangelhaften Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts in einem solchen Fall auf die Übernahme eines angemessenen Betrags durch den Verkäufer beschränkt wird.

Wenn das vorlegende Gericht prüft, ob der Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der genannten Kosten herabzusetzen ist, wird es somit zum einen dem Wert, den das Verbrauchsgut hätte, wenn es vertragsgemäß wäre, und die Bedeutung der Vertragswidrigkeit sowie zum anderen den Zweck der Richtlinie, der darin besteht, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, zu berücksichtigen haben.

Darüber hinaus ist dem Verbraucher im Fall einer Herabsetzung des Anspruchs auf Erstattung der genannten Kosten die Möglichkeit zu gewähren, statt einer Ersatzlieferung für das vertragswidrige Verbrauchsgut gemäß Art. 3 Abs. 5 letzter Gedankenstrich der Richtlinie eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder die Vertragsauflösung zu verlangen, da der Umstand, dass der Verbraucher die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des mangelhaften Verbrauchsguts nur erlangen kann, indem er einen Teil der Kosten selber trägt, für ihn eine erhebliche Unannehmlichkeit darstellt.

(vgl. Randnrn. 76-78, Tenor 2)

Das komplette Urteil finden Sie hier:

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 16. Juni 2011

Der BGH hat in seinem Urteil vom 21.12.2011 - VII ZR 70/08; OLG Frankfurt a.M., auf Basis des EuGH Urteils entschieden.

Nachfolgend die Leitsätze des BGH:

BGB § 439 Abs. 1, Abs. 3

a) § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die dort genannte Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache erfasst (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 16. Juni 2011 - Rechtssachen C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269 - Gebr. Weber GmbH/Jürgen Wittmer und Ingrid Putz/Medianess Electronics GmbH).

b) Das in § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB dem Verkäufer eingeräumte Recht, die einzig mögliche Form der Abhilfe wegen (absolut) unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, ist mit Art. 3 der Richtlinie nicht vereinbar (EuGH, aaO). Die hierdurch auftretende Regelungslücke ist bis zu einer gesetzlichen Neuregelung durch eine teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB für Fälle des Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu schließen. Die Vorschrift ist beim Verbrauchsgüterkauf einschränkend dahingehend anzuwenden, dass ein Verweigerungsrecht des Verkäufers nicht besteht, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere Art der Nacherfüllung zu Recht verweigert.

c) In diesen Fällen beschränkt sich das Recht des Verkäufers, die Nacherfüllung in Gestalt der Ersatzlieferung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, auf das Recht, den Käufer bezüglich des Ausbaus der mangelhaften Kaufsache und des Einbaus der als Ersatz gelieferten Kaufsache auf die Kostenerstattung in Höhe eines angemessenen Betrags zu verweisen. Bei der Bemessung dieses Betrags sind der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen. Zugleich ist zu gewährleisten, dass durch die Beschränkung auf eine Kostenbeteiligung des Verkäufers das Recht des Käufers auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten nicht ausgehöhlt wird.

Das komplette Urteil finden Sie hier:

BGH VIII ZR 70/08 vom 21. Dezember 2011

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EuG: Keine kostenlosen Normen

EuG - Rechtssache T-185/19 vom 14. Juli 2021

Zwei gemeinnützige Organisationen:

  • Public.Resource.Org, Inc.
  • Right to Know CLG

deren vorrangige Aufgabe darin besteht, das Recht für alle Bürger frei zugänglich zu machen, hatten auf "Zugang zu Dokumenten im Besitz der Kommission" geklagt.

Das Gericht der Europäischen Union - EuG hat diese Klage abgewiesen.

Sachverhalt:
Die beiden Klägerinnen wollten mit der Klage kostenlosen Zugang zu vier harmonisierten Normen im Bereich "Spielzeuge" erwirken. Sie stützen sich dabei darauf, dass nach ihrer Auffassung "die angeforderten harmonisierten Normen Teil des „Unionsrechts“ seien".

Aus den Entscheidungsgründen des EuG:

  • Urheberrechtlicher Schutz der angeforderten harmonisierten Normen und damit ein Recht auf das geistige Eigentums das dem Schöpfer zusteht.
  • Die vom Gerichtshof im Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), getroffene Feststellung, dass die angeforderten harmonisierten Normen Teil des "Unionsrechts" seien, begründen nicht den freien und unentgeltlichen Zugang zu diesen Normen.
  • Der Verkauf von Normen ist ein wesentlicher Bestandteil des Wirtschaftsmodells aller Normungsgremien. Ein freier und unentgeltlicher Zugang der Öffentlichkeit zu diesen Normen würde dieses Modell in Frage stellen.
  • Die europäische Normungsorganisation CEN wird im Verfahren der Ausarbeitung harmonisierter Normen nicht als öffentliche Stelle tätig, indem es öffentliche Aufgaben wahrnimmt, die keinem wirtschaftlichen Interesse unterliegen.
  • Die Klägerinnen begründen in keiner Weise, weshalb diese Normen dem Gebot der Publizität und Zugänglichkeit eines "Gesetzes" unterworfen werden sollten, obwohl diese Normen nicht verbindlich sind, die mit ihnen verbundenen Rechtswirkungen nur gegenüber den betroffenen Personen entfalten und in bestimmten Bibliotheken der Mitgliedstaaten kostenlos eingesehen werden können.

Auch wenn sich die Klage auf harmonisierte Normen aus dem Bereich Spielzeug beschränkt, hat das ablehnende Urteil grundsätzliche Bedeutung und strahlt auch auf andere Bereiche wie den Bereich Maschinen aus. Der grundsätzlich Sachverhalt unterscheidet sich hier nicht.

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EuGH: Begriff Hersteller

EuGH Rechtssache C-264/21 vom 7. Juli 2022

Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 85/374/EWG – Haftung für fehlerhafte Produkte – Art. 3 Abs. 1 – Begriff ‚Hersteller‘ – Jede Person, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt, oder dies zugelassen hat“

Sachverhalt:
Die finnische Versicherung Fennia ersetzte einem Verbraucher den durch einen Brand entstandenen Schaden in Höhe von 58879,10 Euro aus der Wohngebäudeversicherung. Am Vortag des Brandes hatte der Verbraucher von einem Händler eine Kaffeemaschine der Marke Philips Saeco Xsmall HD 8743/11 gekauft. In dem von der Feuerwehr erstellten Unfallbericht wurde die Ansicht vertreten, dass diese Kaffeemaschine den Brand verursacht habe.

Diese Kaffeemaschine wurde in Rumänien von der Saeco International Group SpA, einer Tochtergesellschaft von Koninklijke Philips, hergestellt. Auf der Kaffeemaschine und ihrer Verpackung waren die Zeichen Philips und Saeco angebracht, bei denen es sich um für Koninklijke Philips eingetragene Marken handelt. Außerdem war die Kaffeemaschine mit der CE-Kennzeichnung mit dem Zeichen Saeco, einer Adresse in Italien und dem Aufdruck „Made in Romania“ versehen. Koninklijke Philips hat in Finnland eine Tochtergesellschaft, die Philips Oy, die dort mit der Marke Philips versehene Haushaltsgeräte, u. a. die in Rede stehende Kaffeemaschine, vertreibt.

Fennia, die in die Rechte des Verbrauchers eintrat, nachdem sie ihm den entstandenen Schaden ersetzt hatte, erhob gegen Koninklijke Philips Klage auf Schadensersatz wegen Produkthaftung. Koninklijke Philips beantragte, die Klage abzuweisen, da sie nicht die Herstellerin der in Rede stehenden Kaffeemaschine sei.

Das Vorabentscheidungsersuchen es finnischen Gerichts betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 […] über die Haftung für fehlerhafte Produkte:

Artikel 3
(1) »Hersteller" ist der Hersteller des Endprodukts, eines Grundstoffs oder eines Teilprodukts sowie jede Person, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt. […].

Nach Ansicht des vorlegenden finnischen Gerichts ist unklar, was unter „jede Person, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 85/374 zu verstehen ist.

Der finnische Oberste Gerichtshof hat deshalb dem EuGH folgende Fragen gestellt:

  1. Setzt der Begriff des Herstellers im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 85/374 voraus, dass sich eine Person, die ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt angebracht oder deren Anbringen zugelassen hat, auch auf andere Weise als Hersteller des Produkts ausgibt?
  2. Falls die erste Frage bejaht wird: Anhand welcher Gesichtspunkte ist das Ausgeben als Hersteller des Produkts zu beurteilen? Ist es für diese Beurteilung von Bedeutung, dass das Produkt von einer Tochtergesellschaft des Markeninhabers hergestellt wurde und von einer anderen Tochtergesellschaft vertrieben wurde?

Das EuGH hat sich zu den Fragen abschließend wie folgt geäußert:

Zur ersten Frage:
[…]
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 85/374 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Hersteller“ im Sinne dieser Bestimmung nicht erfordert, dass sich eine Person, die ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt angebracht oder deren Anbringen zugelassen hat, auch auf andere Weise als Hersteller des Produkts ausgibt.

Zur zweiten Frage:
In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage wurde die zweite Frage vom EuGH nicht beantwortet.

Deshalb wurde von der 10. Kammer des EuGH für Recht erkannt:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte in der durch die Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 1999 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Hersteller“ im Sinne dieser Bestimmung nicht erfordert, dass sich eine Person, die ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt angebracht oder deren Anbringen zugelassen hat, auch auf andere Weise als Hersteller des Produkts ausgibt.

Auf dem Punkt gebracht bedeutet die Entscheidung des EuGH:

Wer ein Produkt labelt ist „Hersteller“

Da andere EU-Bestimmungen in der Herstellerdefinition ähnliche oder sogar gleiche Festlegungen aufweisen, kann das Urteil des EuGH auch auf diese Bestimmungen übertragen werden. So lautet die Herstellerdefinition in der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG in Artikel 2 i:

"Hersteller" jede natürliche oder juristische Person, die eine von dieser Richtlinie erfasste Maschine oder eine unvollständige Maschine konstruiert und/oder baut und für die Übereinstimmung der Maschine oder unvollständigen Maschine mit dieser Richtlinie im Hinblick auf ihr Inverkehrbringen unter ihrem eigenen Namen oder Warenzeichen […] verantwortlich ist. […]

Die EU-Marktüberwachungsverordnung 2019/1020 legt in Artikel 3 Begriffsbestimmungen fest:

8 „Hersteller jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt in ihrem eigenen Namen oder unter ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet;

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BGH: Pflegebettenurteil

BGH-Urteil vom 16.12.2008 - VI ZR 170/07

Bei elektrisch verstellbaren Pflegebetten waren in 2001 Sicherheitsmängel durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erkannt und die zuständigen Landesbehörden (Behörde) darüber informiert worden. Die Sicherheitsmängel waren „Gefahr von Bränden der Betten infolge des Eindringens von Feuchtigkeit in elektrische Antriebseinheiten sowie von Einklemmungen infolge eines ungeeigneten Spaltmaßes von Seitengittern“. Die Behörde hatte daraufhin die gesetzliche Pflegekasse (Klägerin) aufgefordert „den jeweiligen Bestand zu überprüfen und ggf. nachrüsten zu lassen“.

Der Hersteller der Betten (Beklagter) hatte in diesem Zusammenhang „einen Nachrüstsatz einschließlich Einbau für 350 bis 400 DM je Bett angeboten, der geeignet sei, die von den Behörden aufgezeigten Sicherheitsrisiken zu beseitigen“.

Die Klägerin ließ die Umrüstung durchführen und ging wegen der Dringlichkeit der Umrüstung mit der Übernahme der Kosten in Vorleistung. Gleichzeitig wies sie aber den Beklagten daraufhin, ihn „auf Ersatz von Nachrüstungskosten in Anspruch zu nehmen“. Die Kosten beliefen sich auf 259.229,78 €. Der Beklagte reagierte auf das Ansinnen der Klägerin nicht, so dass es zum Gerichtsverfahren kam.

Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen und auch beim BGH ohne Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen des BGH:

[…] Aufwendungsersatzansprüche […], Rückgriffsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung […] oder Rechte aus einem Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Parteien […] stünden der Klägerin nicht zu, weil die Beklagte zu Rückruf und kostenloser Nachrüstung nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin vielmehr mit der Nachrüstung allein ihren eigenen Rechtspflichten […] nachgekommen sei. Einen Rückruf hätten die Behörden nicht angeordnet. Eine deliktische Pflicht der Beklagten zu Rückruf und Umrüstung gegenüber den Benutzern der Pflegebetten wegen drohender Gefahren für Leib oder Leben oder ein Anspruch auf Nachrüstung gegen die Beklagte aufgrund einer Schadensverhinderungspflicht […] hätten nicht bestanden, weil die Warnung im Schreiben der Beklagten vom 27. Juni 2001 ausreichend gewesen sei. Diese und die Informationen von Seiten der Behörden hätten den Pflegekassen ermöglicht, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Selbst im Falle eines ihr anzulastenden Konstruktionsfehlers der betroffenen Pflegebetten sei die Beklagte zu Rückruf und kostenloser Nachrüstung nicht verpflichtet gewesen, weil es an der dafür erforderlichen konkreten Gefahr für Leib und Leben der Produktnutzer gefehlt habe.

[…]

Wie weit die Gefahrabwendungspflichten des Herstellers gehen, lässt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entscheiden […]. Zur Abwendung von Gefahren, die Dritten durch die Nutzung von Produkten bekannter oder zumindest ermittelbarer Abnehmer drohen, kann es auch in Fällen erheblicher Gefahren vielfach genügen, dass der Hersteller die betreffenden Abnehmer über die Notwendigkeit einer Nachrüstung oder Reparatur umfassend informiert und ihnen, soweit erforderlich, seine Hilfe anbietet, um sie in die Lage zu versetzen, die erforderlichen Maßnahmen in geeigneter Weise auf ihre Kosten durchzuführen […]. Je nach Lage des Falles kann auch eine Aufforderung zur Nichtbenutzung oder Stilllegung gefährlicher Produkte […] gegebenenfalls in Verbindung mit öffentlichen Warnungen und der Einschaltung der zuständigen Behörden […], als geeignete Maßnahme zum Schutz vor drohenden Gefahren in Betracht kommen und ausreichend sein […].

Soweit die Revision sich auf die in der Literatur vertretene Auffassung stützt, wonach dem Erwerber bzw. Nutzer eines fehlerhaften Produkts die Gefahrbeseitigung durch Instandsetzung auf eigene Kosten oder durch Nichtnutzung jedenfalls dann nicht zumutbar sei, wenn Konstruktions- oder Fertigungsfehler vorlägen und der Hersteller dadurch seine Verkehrspflichten beim Inverkehrbringen des Produkts verletzt habe […], kann ihr nicht gefolgt werden. Sie verkennt, dass der Hersteller aufgrund der deliktischen Produzentenhaftung und damit auch seiner etwaigen Pflichten zum Produktrückruf regelmäßig nur die von dem fehlerhaften Produkt ausgehenden Gefahren für die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter so effektiv wie möglich und zumutbar ausschalten muss, nicht aber dem Erwerber oder Nutzer ein fehlerfreies, in jeder Hinsicht gebrauchstaugliches Produkt zur Verfügung zu stellen und so sein Interesse an dessen ungestörter Nutzung und dessen Wert oder die darauf gerichtete Erwartung des Erwerbers (Nutzungs- und Äquivalenzinteresse) zu schützen hat […]. Der Schutz solcher Interessen muss vielmehr grundsätzlich, abgesehen etwa von Sonderfällen vorsätzlicher Schädigung i. S. v. § 826 BGB, der Vertragsordnung vorbehalten bleiben.

[…]

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BGH: Papierreißwolf

BGH-Urteil vom 18.05.1999 - VI ZR 192/98
Abgedruckt: NJW 1999, S. 2815 ff

Fallgestaltung:

Ein zweijähriges Kind greift in den Schlitz eines Papierreißwolfs, der dadurch in Gang gesetzt wird. Das Kind verliert dabei Glieder von drei Fingern. Konstruktionsfehler hatte das Gerät nach Ansicht des Gerichts keine. Der Hersteller hatte bei dem Produkt mehrere Sicherheitsvorkehrungen getroffen und dabei Vorschriften, z.B. die anwendbare DIN-Norm, z. T. sogar übererfüllt. Ein über die Norm verfügbarer Stand der Technik, den der Hersteller zu beachten gehabt hätte, gab es nicht.

Der Hersteller wurde dennoch auf Schadensersatz aus Produkthaftungsgründen / Deliktsrecht verurteilt, weil er nach Ansicht des Gerichts seine Instruktionspflicht verletzt hatte: Er hätte Warnhinweise in die Bedienungsanleitung mit aufnehmen oder Piktogramme am Gerät anbringen müssen, die davor warnen, dass schmale Hände oder Kinderhände die Walze des Reißwolfs in Bewegung setzen und dadurch verletzt werden können. Das Gericht ging davon aus, dass bei ausreichendem Hinweis das Gerät in Anwesenheit von Kindern ausgeschaltet worden wäre.

Entscheidungsgründe des BGH:

I. Das Berufungsgericht meint, die Konstruktion des Aktenvernichters sei nicht fehlerhaft. Das Gerät erfülle die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften und habe entsprechende Prüfbescheinigungen erhalten. Es sei nicht ersichtlich, daß der Stand der Technik im Jahre 1994 weitergehende Sicherheitsvorkehrungen erfordert habe. Die Beklagte habe bei der Herstellung des Produkts durch die räumliche Trennung des Geräteschalters vom Einführungsschlitz, den Einbau der Lichtschranke und die Verengung des Einführungsschlitzes auf 6,5 mm eine dreifache Sicherung geschaffen. Auch gehe der Abstand der Schneidevorrichtung vom Einführungsschlitz mit 2 cm über die in den Sicherheitsregeln vorgeschriebenen 1,5 cm noch hinaus.<p/>Die Beklagte habe jedoch schuldhaft die ihr obliegende Instruktionspflicht verletzt. Da Kinder und auch Erwachsene mit besonders dünnen Fingern in den Papiereinführungsschlitz hineingreifen könnten, bestünden Gefahren, auf welche die Beklagte etwa durch Anbringung eines Piktogramms an dem Gerät habe hinweisen müssen. Durch das Unterlassen eines solchen Hinweises sei der Schaden der Klägerin verursacht worden. Denn es spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, daß C. bei ausreichendem Hinweis das Gerät für die Zeit der Anwesenheit der Klägerin ausgeschaltet und so deren Verletzung verhindert hätte. Ein eigenes Mitverschulden der Klägerin scheide ebenso aus wie die anspruchsmindernde Anrechnung eines Verschuldens des C.

II. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

1. ...

2. Mit Recht hat das Berufungsgericht der Klägerin gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 BGB ein Schmerzensgeld zugesprochen, weil die Beklagte bei der Inverkehrgabe des Aktenvernichters durch Unterlassen eines gebotenen Warnhinweises gegen die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen und dadurch die Verletzung der Klägerin verursacht hat.

a) ...

Zum vollständigen Urteil siehe: Papierreißwolf-Fall

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BGH: Wann ist ein Sachmangel „unerheblich“?

BGH-Urteil, -Az.: VIII ZR 94/13- vom 28.05.2014

Leitsatz:

a) Die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls (Bestätigung der Senatsurteile vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 23; vom 6. Februar 2013 - VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 16).

b) Bei einem behebbaren Mangel ist im Rahmen dieser Interessenabwägung von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB jedenfalls in der Regel nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises übersteigt.

Nachfolgend zwei kurze Auszüge aus dem Urteil:

  • "Der Senat entscheidet die umstrittene Frage nunmehr dahin, dass bei einem behebbaren Mangel im Rahmen der nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB in der Regel dann nicht mehr auszugehen ist, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand mehr als fünf Prozent des Kaufpreises beträgt. Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über den vorstehend genannten Prozentsatz hinaus ist mit dem durch den Gesetzeswortlaut und durch die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren."
  • "Bei behebbaren Sachmängeln unterhalb der genannten Schwelle wird es dem Käufer in der Regel zuzumuten sein, am Vertrag festzuhalten und sich - nach erfolglosem Nachbesserungsverlangen - mit einer Minderung des Kaufpreises oder mit der Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes zu begnügen."

In dem vorliegenden Fall hatte der Kläger gegen den Verkäufer auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Kaufgegenstandes geklagt, weil "ein von ihm erworbenes Fahrzeug mit einem Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB behaftet ist, weil die Sensoren der Einparkhilfe in falscher Höhe und mit falschem Abstand zueinander eingebaut sind und deshalb die Einparkhilfe immer wieder akustische Warnsignale ohne erkennbares Hindernis abgibt". Der Kläger bekam Recht, weil der Sachmangel den Betrag von 5 % des Kaufpreises übersteigt.

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BGH: Bestandsschutz von Maschinen

BGH VI ZR 223/09 vom 2. März 2010

Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Urteil befasst mit der:

"Frage einer Nachrüstungspflicht des Verkehrssicherungspflichtigen für bestehende technische Anlagen (hier: halbautomatische Glastüre als Zugang zu einem Geldautomaten einer Bank) im Falle einer Verschärfung von DIN-Normen."

In dem o.a. Urteil  hat der BGH entschieden, dass Maschinen (hier eine automatisch schließende Tür) ggf. nachzurüsten sind, wenn die zugrundeliegende Norm für die Bau- und Ausrüstungsanforderungen sich ändert. Zwar wurde die Klage der verletzten Klägerin in dem hier verhandelten Einzelfall abgewiesen, dies aber nur, weil die Normenänderung erst kurze Zeit vor dem Unfall vorgenommen wurde. Das Gericht vertritt in dem Urteil die Auffassung:

„Eine Nachrüstungspflicht sei erst nach Ablauf eines angemessenen Zeitraums und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte zu bejahen. Hier sei im Zeitpunkt des Unfalls seit dem Erlass der neuen DIN-Norm noch nicht einmal ein Jahr vergangen gewesen. Eine Nachrüstungspflicht sei erst nach Ablauf eines angemessenen Zeitraums und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte zu bejahen.“

Zum vollständigen Urteil siehe:

BGH VI ZR 223/09 vom 2. März 2010

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Verwaltungsgerichtshof Österreich: Unfall mangels vollständiger Einhausung

Verwaltungsgerichtshof Österreich: Urteil vom 18.11.2011, Geschäftszahl: 2011/02/0322

Hergang laut Gerichtsentscheid

Der Geschäftsführer eines Unternehmens (Beschwerdeführer) wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich wegen der Übertretung des § 130 Abs. 1 Z. 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) in Verbindung mit § 43 Abs. 3 Arbeitsmittelverordnung „Gefahrenstellen an Arbeitsmitteln“ zu eine Geldstrafe in Höhe von 1.200,-€ (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verurteilt. Hierzu hatte er Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Österreich eingelegt, die aber mit o.a. Urteil als unbegründet abgelehnt wurde.

In dem Unternehmen des Beschwerdeführers war eine Krautstrunkfräsmaschine verwendet worden, an der Gefahrenstellen durch einen rotierenden Fräskopf und durch die sich bewegende Krautkopfhalterung mangels vollständiger "Einhausung" nicht so gesichert waren, dass ein wirksamer Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht worden wäre. Am 13. Februar 2010 war eine bei dieser Fräsmaschine tätige Arbeitnehmerin deshalb verunfallt. Als sie Fräsreste entfernen wollte, war sie durch einen herabfallenden Teil an der Hand verletzt worden. Erst nach dem Arbeitsunfall wurde die Maschine komplett "eingehaust". Dadurch ist ein "Hineingreifen" während des Arbeitsvorganges jetzt nicht mehr möglich.

§ 43 Abs 3 der österreichischen Arbeitsmittelverordnung bestimmt:

(3) Gefahrenstellen sind durch Schutzeinrichtungen so zu sichern, dass ein möglichst wirksamer Schutz der Sicherheit und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen erreicht wird. Primär sind Gefahrenstellen durch Verkleidungen, Verdeckungen oder Umwehrungen zu sichern, die das Berühren der Gefahrenstelle verhindern:

  1. Verkleidungen müssen das Erreichen der Gefahrenstelle von allen Seiten verhindern und die Einhaltung des nach Anhang C erforderlichen Sicherheitsabstands gewährleisten.
  2. Verdeckungen müssen das Berühren der Gefahrenstelle von jenen Seiten verhindern, die im Normalbetrieb von den vorgesehenen Standplätzen aus, von anderen Arbeitsplätzen aus oder von Verkehrswegen aus zugänglich sind. Verdeckungen müssen die Einhaltung des nach Anhang C erforderlichen Sicherheitsabstands gewährleisten.
  3. Umwehrungen müssen ein unbeabsichtigtes Annähern an die Gefahrenstelle verhindern und die Einhaltung des nach Anhang C erforderlichen Sicherheitsabstands gewährleisten.

Der Beschwerdeführer hatte zu seiner Entlastung vorgetragen:

Ihm sei kein fahrlässiges Handeln anzulasten, die gegenständliche Maschine entspreche dem Stand der Technik und Anforderungen dürften nicht überspannt werden (also über den Stand der Technik hinausgehen). Es seien Schulungen und Sicherheitsunterweisungen der Arbeitnehmer sowie sicherheitstechnische Überprüfungen durchgeführt worden. Das Vorliegen eines Kontrollsystems entlaste den Beschwerdeführer; auch gebe es Sicherheitsfachkräfte. Der Vorfall, der zur Verletzung einer Arbeitnehmerin geführt habe, sei ein schicksalhaftes Ereignis; eine mangelhafte Wartung werde nicht unterstellt.

Das Gericht stellte dazu fest:

Dieses Beschwerdevorbringen geht am Gegenstand des Verfahrens vorbei. Wird eine Gefahrenstelle (im Beschwerdefall der Fräskopf) nicht gesichert, wird § 43 Abs. 3 AM-VO übertreten. Im Beschwerdefall konnte mangels erforderlicher "Einhausung" in den Gefahrenbereich hineingegriffen werden. Dabei ist unbeachtlich, ob die Person, die das Gerät bedient, geschult ist und im Rahmen der Schulung angewiesen wird, nicht in die Maschine zu greifen. Nach der Rechtsprechung ist es nämlich unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG im Hinblick auf ein das Verschulden ausschließendes "wirksames Kontrollsystem" nicht ausreichend, auf die Erteilung von Anordnungen (Weisungen) und Schulungen zu verweisen […].

Die Beschwerde lässt nicht erkennen, dass die Annahme einer ungesicherten Gefahrenstelle unzutreffend wäre. Vielmehr verkennt der Beschwerdeführer offensichtlich die Rechtslage, wenn er meint, dass eine Sicherung der Gefahrenstelle entbehrlich werde, wenn Mitarbeiter entsprechend geschult oder angewiesen würden.

Weiter bringt der Beschwerdeführer vor:

Die gegenständliche Maschine sei bisher - so führt die Beschwerde weiter aus - vom Arbeitsinspektorat nie beanstandet worden.

Dazu das Gericht:

Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass dies im gegebenen Zusammenhang nicht relevant ist. Abgesehen davon ist eine Beanstandung durch das Arbeitsinspektorat nicht Voraussetzung für eine Bestrafung.

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BVG-Schweiz: Verbot der „Betriebsart 4“ bei Metallbearbeitungszentren

Bundesverwaltungsgericht Schweiz, AZ Abteilung III, C-2899/2010 vom 22. August 2013

In 2009 hatte die Schweizerische Unfallversicherung (SUVA) den Betrieb von mehreren Metallbearbeitungszentren mit der sog. Betriebsart 4 (Betrieb der Maschine bei aufgehobener Schutzwirkung ohne kontinuierliche Betätigung eines Zustimmtasters und ohne gleichwertige technische Schutzvorkehrungen) bei einem Maschinenbetreiber ( im Folgenden „Beschwerdeführer“) untersagt und verlangt diese „auszubauen“. Weiterhin wurde die Manipulation der Frontürenüberwachung durch speziell angefertigte Schaltzungen zur Überbrückung der Sicherheitsschalter an zwei Bearbeitungsmaschinen festgestellt. Auch diese Manipulation wurde untersagt. Es wurde von der SUVA eine entsprechende Verfügung gegen den Beschwerdeführer erlassen. Gegen die Verfügung hatte der Beschwerdeführer in Bezug auf die beanstandete Betriebsart 4 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben, da bestimmte Arbeiten nur mit der Betriebsart 4 ausgeführt werden könnten. Weiterhin hatte er auf die nach seiner Auffassung unverhältnismäßig hohen Kosten bei einem „Rückbau“ hingewiesen.

Die Beschwerde wurde vom Bundesverwltungsgericht in Gänze zurückgewiesen. In seiner Begründung führt das Bundesverwaltungsgericht dazu u.a. sinngemäß aus:

  • Ein Arbeitgeber erfüllt seine Verpflichtungen aus der Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV), wenn er Arbeitsmittel einsetzt, die dem Inverkehrbringensrecht entsprechen.
  • Arbeitsmittel müssen nach der VUV bei einer Gefährdung durch bewegliche Teile mit entsprechenden Schutzeinrichtungen ausgestattet sein, die auch verwendet werden müssen.
  • Das Schweizer Recht hat die europäische Maschinenrichtlinie 89/37/EG bzw. 2006/42/EG (MRL) adaptiert.
  • Das Staatsekretariat für Wirtschaft (SECO) hat die Norm EN 12417 incl. deren Fassungen A1 und A2 als geeignet bezeichnet die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der MRL zu konkretisieren.
  • Die EN 12417 + A2 beschreibt drei Betriebsarten:
    • Automatikbetrieb
    • Einrichtbetrieb
    • Betrieb bei geöffneten trennenden Schutzeinrichtungen bzw. außer Kraft gesetzten nicht trennenden Schutzeinrichtungen mit konkreten „Ersatzmaßnahmen“ wie Anforderungen an Personal, Geschwindigkeiten, Zustimmeinrichtung, ….
  • Die EN 12417 + A2 sieht eine Betriebsart 4 nicht vor.
  • Bereits die erste MRL (89/392/EWG) enthält konkrete Anforderungen an den Betrieb von Maschinen mit aufgehobener Schutzwirkung der Schutzeinrichtungen (Anhang I, Nr. 1.2.5, Abs. 4).
  • Die Sicherheit einer Maschine nur mit organisatorischen Mitteln zu erreichen widerspricht Sinn und Zweck der Maschinensicherheit, da solche Maßnahmen nicht dem Stand der Technik entsprechen. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf die vorgeschriebene Rangfolge der Maßnahmen.
  • Die Entwicklung des Standes der Technik findet ihren Niederschlag in harmonisierten Normen. Diese Entwicklung zeigt sich an der Entwicklung der EN 12417 mit Ihren Fassungen A1 und A2. Alternativlösungen müssen sich an harmonisierten Normen orientieren.
  • Dass die zum Zeitpunkt der Normenerstellung bereits bekannte sog. Betriebsart 4 nicht Eingang in die Norm gefunden hat, zeigt, dass diese Betriebsart nicht dem Stand der Technik entsprach.
  • Die MRL sieht im Anhang I, Nr. 1.2.5 vor, dass der Betrieb gefährlicher Funktionen bei außer Kraft gesetzten Schutzeinrichtungen nur möglich sein soll, solange entsprechende Befehlseinrichtungen betätigt werden. Die EN 12417 + A2 ist insofern richtlinienkonform.
  • Die Ausführungen des Gerichts widersprechen nicht der Empfehlung der deutschen Schnellentscheidungsgruppe Marktüberwachung der BAuA aus dem Jahre 2002. Diese stammt aus einer Zeit vor Inkrafttreten der MRL 2006/42/EG und auch der Norm EN 12417 + A1. Deren Anliegen wurde mit der Norm EN 12417 + A1 nachgekommen und entspricht der in der Norm enthaltenen Betriebsart 3.
  • Eine Betriebsart 4 ist nach Überprüfung der notwendigen Arbeitsschritte beim Beschwerdeführer nicht erforderlich. Die anfallenden Arbeiten können in einer der Betriebsarten 1 bis 3 durchgeführt werden.
  • Der Einwand des Beschwerdeführers, dass bisher nichts passiert ist, geht ins Leere. Es geht hier nicht um das subjektive Sicherheitsempfinden, sondern um die objektive Begrenzung des Risikos. Sinn und Zweck der Unfallverhütung ist es Unfälle zu vermeiden und nicht erst nach Unfällen tätig zu werden.
  • Von Maschinen mit Betriebsart 4 geht eine erhebliche Gefahr für schwere Verletzungen und Gesundheitsschädigungen aus.
  • Das bedeutende öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Arbeitssicherheitsvorschriften geht den wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers ohne Zweifel vor.

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Bundesgericht-CH: Widerlegbare Konformitätsvermutung bei lückenhafter Norm

Bundesgericht Schweiz: Urteil vom 10. April 2017, AZ: 2C_75/2016, 2C_76/2016

Ein Unternehmen bringt Schnellwechseleinrichtungen für Anbaugeräte an Baumaschinen (SWE) in Verkehr. Die SUVA eröffnete im Juni 2013 ein „Produktkontrollverfahren“ in Zusammenhang mit zwei tragischen Unfällen. Die SUVA verbot im Laufe des Verfahrens das Inverkehrbringen dieser Einrichtungen wegen Verstoßes gegen die Maschinenrichtlinie. Dazu führte die SUVA aus:

gemäß Anhang I der Maschinenrichtlinie sei eine Risikobeurteilung vorgeschrieben. Die Anwendung harmonisierter Normen erleichtere diese Risikobeurteilung, entbinde aber nicht von der Pflicht, eine solche durchzuführen. Die Norm SN EN 474-1 konkretisiere zwar einige Anforderungen der Maschinenrichtlinie für Schnellwechseleinrichtungen, doch seien damit nicht alle Risiken abgedeckt. Trotz Einhaltung der Norm SN EN 474-1 gingen von den SWE relevante Gefährdungen aus, die durch fehlerhafte oder unvollständige Verriegelung der SWE in Kombination mit einem Fehlverhalten des Maschinenführers entstünden. Dadurch könne das Anbaugerät herunterfallen. Da solches Fehlverhalten vernünftigerweise vorhersehbar sei, müssten dagegen geeignete Schutzmaßnahmen getroffen werden. In erster Linie müssten die Risiken durch die Konstruktion beseitigt oder minimiert werden; technische Lösungen würden zum Teil bereits erfolgreich in Verkehr gebracht. Es seien bei SWE bereits mehrere u.a. auch tödliche Unfälle eingetreten, die auf den Mangel zurückzuführen seien und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht passiert wären, wenn technische Maßnahmen das Herunterfallen der Anbaugeräte verhindert hätten.

Das Bundesgericht stellte dazu u.a. fest:

Gemäß Art. 2 Abs. 1 MaschV dürfen Maschinen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie bei ordnungsgemäßer Installation und Wartung und bei bestimmungsgemäßer oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und die Gesundheit von Personen und gegebenenfalls von Haustieren und Sachen sowie, sofern für diese Maschinen in der EU-Maschinenrichtlinie spezifische Umweltvorschriften bestehen, die Umwelt nicht gefährden (lit. a) und die Anforderungen nach den folgenden Bestimmungen der EU-Maschinenrichtlinie erfüllt sind: Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a-e sowie Absätze 2 und 3 und Artikel 12 und 13 (lit. b). Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) bezeichnet die technischen Normen, die geeignet sind, die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen nach Anhang I MRL zu konkretisieren (Art. 3 MaschV).

Die Konformitätsvermutung erstreckt sich jedoch nur auf diejenigen Anforderungen, welche von den jeweiligen Normen erfasst werden (Art. 7 Abs. 2 MRL[…]). Insbesondere bei älteren Normen kann es vorkommen, dass sie nicht alle sicherheitsrelevanten Aspekte umfassen […]. Die Anwendung harmonisierter Normen entbindet den Hersteller somit nicht völlig von der Pflicht, eine Risikobeurteilung durchzuführen (Leitfaden MRL, a.a.O., § 110 Abs. 10 und § 159 Abs. 2). Wenn von der betreffenden Maschine Gefährdungen ausgehen, die nicht durch die harmonisierte Norm abgedeckt werden, ist eine umfassende Risikobeurteilung für diese Gefährdungen notwendig, und es müssen geeignete Schutzmaßnahmen ergriffen werden (Leitfaden MRL, a.a.O., § 159).

Das Gericht stellt in Bezug auf die in Rede stehende Norm fest:

Die Norm SN EN 474-1 verlangt […] keine Integration der Sicherheit in Konstruktion und Bau der Maschine für vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendungen, mithin keine diesbezügliche Beseitigung oder Minimierung dieser Risiken. Wie bereits ausgeführt, können organisatorische Maßnahmen […] erst dann ergriffen werden, wenn die technisch baulichen Maßnahmen unverhältnismäßig wären […]. Insofern berücksichtigt die Norm SN EN 474-1 einen fundamentalen Aspekt der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen nicht, weshalb die entsprechenden Schnellwechseleinrichtungen, die sich an der Norm SN EN 474-1 orientieren, die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen verletzen. Insofern ist die Vermutung von Art. 5 Abs. 2 PrSG widerlegt.

Schlussendlich stellt das Gericht fest:

Nach den bisherigen Ausführungen hat die Beschwerdegegnerin somit das Risiko durch technische Maßnahmen zu beseitigen oder zu minimieren - auch wenn die Beschwerdegegnerin die Machbarkeit einer technischen Lösung bezweifelt und eine solche auch nicht aktenkundig ist. In diesem Zusammenhang ist es auch nicht Aufgabe der SUVA, solche Lösungen vorzuschlagen, auch wenn Art. 10 Abs. 2 PrSG dies vom Wortlaut her nicht ausschließt. PrSG und THG basieren auf dem Regulierungsansatz der regulierten Selbstregulierung, wonach der Staat lediglich den Rahmen setzt. Innerhalb dieses Rahmens obliegt die Regulierung den Privaten. So überlässt das PrSG es bewusst den Inverkehrbringern, wie sie ihre Produkte im Rahmen der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen technisch-konstruktiv umsetzen. Es ist deshalb im Rahmen des Vollzugs ebenfalls nicht Aufgabe des Staates, Lösungen vorzuschlagen, ansonsten das System der regulierten Selbstregulierung über den Vollzug unterlaufen würde. Abgesehen davon verfügt der Staat in aller Regel nicht über das gleiche Wissen in Bezug auf die einzelnen Maschinen wie der Hersteller oder Konstrukteur. Schließlich sprechen auch staatshaftungsrechtliche Fragen für eine Zurückhaltung. Zusammenfassend liegt es somit in der Kompetenz des Herstellers zu entscheiden, wie bzw. in casu  mit welcher baulichen Maßnahme, sofern diese zumutbar ist, der Mangel zu beseitigen ist. Nach Beseitigung des Mangels kann das Produkt wieder selbstverantwortlich (Art. 3 und 5 PrSG) in Verkehr gebracht werden, da das Produkt produktsicherheitsrechtlich mit dem ursprünglichen Verfügungsobjekt nicht identisch ist […]“.

Die Verfügung der SUVA vom 13. März 2014 wird bestätigt […]

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OLG Bamberg: Mangelnde Instruktion: Hautverätzungen durch Fertigbeton

OLG Bamberg, -AZ: 4 U 250/08- vom 26. Oktober 2009

Ein diplomierter Betriebswirt hatte von einem Betonhersteller Schadensersatz für Hautverletzungen verlangt, die er sich bei der Betonverarbeitung zugezogen hat. Bei der Verarbeitung war der mit einer einfachen Jeanshose bekleidete Kläger mehrfach mit den Knien in den Beton eingesunken und hatte die Hose dabei durchweicht. Später hatte er festgestellt, dass er erhebliche Verätzungen an beiden Knien davon getragen hatte.

Das Gericht stellt hierzu in seinem Urteil fest:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Schmerzensgeld 6.000,-- Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.7.2005 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeweils in Höhe von 2/3 sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm im Zusammenhang mit der Verarbeitung des am 30.9.2004 von der Beklagten angelieferten Frischbetons in Zukunft noch entstehen werden, soweit Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

[…]

Auszüge aus der Urteilsbegründung:

1. Die Einstandspflicht der Beklagten ergibt sich aus den Grundsätzen der Produkthaftung nach den §§ 1 I, 1; 3 I lit.a ProdHaftG.

Nach diesen Bestimmungen muss der Hersteller eines Erzeugnisses nicht nur für Schäden einstehen, die auf einer fehlerhaften Konstruktion oder Fabrikation beruhen. Er ist vielmehr auch zum Ersatz solcher Schäden verpflichtet, die dadurch eingetreten sind, dass er die Verwender des Produkts pflichtwidrig nicht auf Gefahren hingewiesen hat, die sich trotz einwandfreier Herstellung aus der Verwendung der Sache ergeben (sog. Instruktionsfehler, …). Eine solche Warnpflicht besteht nicht nur in Bezug auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Produkts, sondern erstreckt sich innerhalb des allgemeinen Verwendungszwecks auch auf einen naheliegenden Fehlgebrauch. Diese Pflicht entfällt nur dann, wenn das Produkt nach den berechtigten Erwartungen des Herstellers ausschließlich in die Hand von Personen gelangen kann, die mit den Gefahren vertraut sind, wenn die Gefahrenquelle offensichtlich ist oder wenn es um die Verwirklichung von Gefahren geht, die sich aus einem vorsätzlichen oder äußerst leichtfertigen Fehlgebrauch ergeben.

b) Dementsprechend war auch im Streitfall eine Instruktionspflicht der Beklagtenseite aktualisiert.

[…]

bb) Als privater Auftraggeber zählte der Kläger von vorneherein nicht zu dem Kreis gewerblicher Abnehmer, bei denen ein Wissens- und Erfahrungsstand vorausgesetzt werden darf, der einen Hinweis auf die ätzende Wirkung von Zementstoffen erübrigt. Von einem Heimwerker wie dem Kläger konnte dagegen nicht erwartet werden, dass er mit der verletzungsträchtigen Produktbeschaffenheit hinreichend vertraut war.

[…]

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OLG-Bremen: Verpackungsmaschine fährt alleine an

OLG-BREMEN -AZ 1 U 14/00- vom 08. November 2000

Ein Betriebsleiter hatte geklagt. Er wurde erheblich verletzt, als eine Maschine, während er noch Arbeiten an ihr durchführte, sich ohne Betätigung einer hierfür vorgesehenen Befehlseinrichtung alleine ingangsetzte (s. Anhang I, Nr. 1.2.3 der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG). Weiterhin lag auch keine ausreichende Betriebsanleitung vor.

Hierzu fällte das OLG-BREMEN folgendes Urteil:

Leitsatz:

  1. An der "Ablieferung" im Sinne der betriebsfertigen Herstellung einer Verpackungsanlage für Reis fehlt es, wenn zahlreiche in der Auftragsbestätigung des Herstellers aufgeführte Ausstattungsteile, die als zugesicherte Eigenschaften der Anlage anzusehen sind, nicht mitgeliefert werden.
  2. Einer "Ablieferung" im Sinne des § 377 Abs. 1 HGB steht auch entgegen, dass der Hersteller einer Verpackungsanlage bei deren Aufstellung nur die Seiten 1 bis 19 einer 30 Seiten umfassenden Bedienungsanleitung mitgeliefert hat.
  3. Der Weitergebrauch einer Verpackungsanlage nach Feststellung des Mangels bis zur Entscheidung des Rechtsstreits über das Wandlungsbegehren führt in der Regel nicht zur Verwirkung des Wandlungsrechts.
  4. Die lineare Wertschwundtheorie ist prinzipiell auch zur Nutzungswertermittlung für den Weitergebrauch einer Verpackungsanlage nach Geltendmachung eines Wandlungsbegehrens anzuwenden.
  5. Zu den Einzelheiten der Ermittlung des Nutzungswertes einer Verpackungsanlage.

Veröffentlich in NJOZ 2002, 1432

 

OLG Celle: Dauerhafte Kennzeichnung

OLG Celle, -AZ: 13 U 84/13- vom 21. November 2013

Zur dauerhaften Kennzeichnung zur Herstelleridentifizierung auf einem Klebefähnchen am Kabel von Kopfhörern führt das Gericht u.a. aus:

Leitsätze:

  1. ...
  2. Eine dauerhafte Kennzeichnung i.S.d. § 7 Satz 1 ElektroG setzt voraus, dass die Kennzeichnung nicht ohne nennenswerte Schwierigkeiten durch einen Schnitt vom Gerät getrennt werden kann.
  3. Eine Kennzeichnung allein auf einem Klebefähnchen, das am Kabel eines Kopfhörers aufgebracht ist und üblicherweise vom Verbraucher als störend empfunden wird, ist nicht ausreichend dauerhaft.

 In den Gründen wird unter II. u.a. ausgeführt:

25. Damit bei der Entsorgung auf die Herstellerinformation zurückgegriffen werden kann, ist es erforderlich, dass die Kennzeichnung regelmäßig bis zur Entsorgung Bestand hat. Sie muss deshalb - unabhängig von der chemisch-physikalischen Beschaffenheit einer Klebeverbindung - ein solches Mindestmaß an Unzerstörbarkeit aufweisen, dass sie nicht durch einen einfachen Schnitt entfernbar ist (im Ergebnis ebenso: Bullinger/Fehling-Lückefett, ElektroG, § 7 Rdnr. 6).

Dieses Urteil betrifft zwar nicht direkt den Maschinenhersteller, allerdings wird in Anhang I. Nr. 1.7.3 der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG auch eine dauerhafte Kennzeichnung gefordert:

"1.7.3. Kennzeichnung der Maschinen

Auf jeder Maschine müssen mindestens folgende Angaben erkennbar, deutlich lesbar und dauerhaft angebracht sein:

  • Firmenname und vollständige Anschrift des Herstellers und gegebenenfalls seines Bevollmächtigten,
  • Bezeichnung der Maschine,
  • CE-Kennzeichnung (siehe Anhang III),
  • Baureihen- oder Typbezeichnung,
  • gegebenenfalls Seriennummer,
  • Baujahr, d. h. das Jahr, in dem der Herstellungsprozess abgeschlossen wurde.

..."

Da der Maschinenhersteller alle Lebensphasen der Maschine -d.h. bis zur Entsorgung- berücksichtigen muss, siehe Anhang I, Nr. 1.1.2 a, gibt das Urteil auch für den Maschinenhersteller einen guten Hinweis, was unter dem Begriff "dauerhaft" zu verstehen ist.

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OLG Celle: Fehlende EG-Konformitätserklärung: Schwer zu entdeckender Mangel

OLG Celle, -AZ: 7 U 141/12- vom 15. Mai 2013

Die Klägerin, ein Unternehmen, dass Baugrunduntersuchungen durchführt, hatte bei der Beklagten einen gebrauchten Bagger sowie eine dafür geeignete Bohrlafette gekauft. Beim Einsatz des Baggers stellte sich heraus, dass die Standsicherheit des Baggers mit der montierten Bohrlafette nicht ausreichte.

Die Klägerin beschaffte sich daraufhin selbst einen größeren Bagger und ließ diesen von der Beklagten umrüsten, damit die Bohrlafette hieran montiert werden konnte. Die Beklagte weigerte sich allerdings diese Arbeiten im Rahmen der Sachmängelhaftung als Nacherfüllung auszuführen. Sie verweigerte deshalb die Herausgabe der beiden Bagger ohne Zahlung des beanspruchten Werklohns. Das Landgericht Lüneburg hatte hierzu am 21.01.2010 entschieden -AZ: 7 O 84/09-, dass die Beklagte die Bagger herausgeben muss. Ein Anspruch auf einen Werklohn bestehe nicht.

Beim danach erfolgten Betrieb des größeren Baggers mit angebauter Bohrlafette wurden dann Mängel festgestellt und auch von einem Sachverständigen bestätigt. Dazu gehörten auch Mängel hinsichtlich der Einhaltung der Maschinenrichtlinie. Die daraufhin eingeschaltete Gewerbeaufsicht hat der Klägerin mit Schreiben vom 25.11.2011 verboten das Gerät ihren Arbeitnehmern zur Verfügung zu stellen:

"Das Bohrgerät wurde formal nicht nach den gültigen Rechtsvorschriften in Verkehr gebracht. Am Bohrgerät fehlt die CE-Kennzeichnung. Die Bedienungsanleitung ist unzureichend. So muss von unserer Seite die Konformität angezweifelt werden. Das Gerät darf von Ihnen nicht Ihren Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt werden."

Das Landgericht Lüneburg hat der Klägerin Recht gegeben, die eine Nacherfüllung der Beklagten hinsichtlich der Anforderungen der Maschinenrichtlinie abgelehnt hat, weil diese sich zu Recht darauf berufen habe, das Vertrauen in die Beklagte verloren zu haben. Im Ergebnis des Urteils muss der Vertrag von der Beklagten "rückabgewickelt" werden. Hiergegen hatte die Beklagte Berufung beim OLG Celle eingereicht. In diesem Rahmen werden auch die ihr vorgehaltenen technischen Mängel bestritten.

Das OLG Celle hat dazu entschieden:

Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Klägerin ist zu Recht vom Kaufvertrag zurückgetreten. Weitere Nachbesserungsversuche durch die Beklagte sind der Klägerin nicht mehr zumutbar.

Das OLG Celle begründet sein Urteil u.a. mit (auszugsweise inhaltliche Wiedergabe):

  1. Die Klägerin hat wirksam den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

    Die Beachtung der Rüge der fehlenden Konformitätserklärung scheitert nicht an § 377 HGB. Hier handelt es sich -wegen der Komplexität der Materie- um einen schwer zu entdeckenden Mangel. Danach liegen die Voraussetzungen des § 377 Abs. 3 HGB vor, wonach sich ein Mangel, der sich erst später zeigt, unverzüglich nach seiner Entdeckung anzuzeigen ist. Das ist hier geschehen.

  2. Für das OLG Celle steht fest, dass die Beklagte mit dem Bagger und der aufgebauten Bohrlafette ein untaugliches, nicht vertragsgerechtes Bohrgerät geliefert hatte.

    Schließlich war dann auch das neue Bohrgerät objektiv unbrauchbar, nämlich wegen der fehlenden Konformitätserklärung der Beklagten betreffend die Beachtung der Europäischen Maschinenrichtlinie.

    Trotz der inzwischen vorliegenden ordnungsgemäßen Konformitätserklärung (im 3. Anlauf) steht die Frage der tatsächlichen  Übereinstimmung der Maschine mit der Europäischen Maschinenrichtlinie nach wie vor im Streit. So hat der vom Gericht eingeschaltete Sachverständige ausgeführt, dass die Risikobeurteilung ohne Einschaltung des Baggerherstellers gar nicht erfolgen kann. Das zuständige Gewerbeaufsichtsamt sieht es im Übrigen als erforderlich an, dass die Risikobeurteilung sachverständigerseits überprüft wird. Es hält deshalb an dem Verbot der Bereitstellung des Arbeitsmittels an die Arbeitnehmer der Klägerin fest.

    Damit ist das Maß an Unannehmlichkeiten, die der Käufer im Rahmen der Nacherfüllungsphase hinnehmen muss hier bei weitem überschritten.

Da eine Revision nicht zugelassen war, hatte die Beklagte hiergegen beim BGH Beschwerde erhoben. Mit Beschluss vom 11.2.2014 -AZ: VIII ZR 150/13- wurde die Beschwerde vom BGH zurückgewiesen. Damit ist das Urteil des OLG Celle rechtskräftig.

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OLG Düsseldorf: Warnung bei fehlerhaften Produkten durch den Händler

Urteil des OLG Düsseldorf vom 29.07.2009, Az. I-22 U 157/08

Das OLG Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 29.7.2009 entschieden, dass ein Händler (hier KfZ-Händler) seine Kunden warnen muss, wenn ihm vom Fahrzeug ausgehende Gefahren bekannt sind. Klärt der Händler den Kunden nicht auf, macht er sich schadensersatzpflichtig, und das selbst dann, wenn die normalen Gewährleistungsrechte bereits verjährt sind.

Dem Kläger steht nach Auffassung des OLG Düsseldorf ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu, wegen einer Verletzung der "Warn- und Instruktionspflichten gegenüber dem Kläger".

Aus der Urteilsbegründung (Auszug):
...

3. Die Haftung der Beklagten ergibt sich im vorliegenden Fall jedoch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung einer der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht. Zwar haftet die Beklagte nach deliktischen Grundsätzen nicht deswegen, weil das Motorraumschloss des an den Kläger verkauften Pkw mangelhaft war und die Beklagte ein mangelhaftes Produkt in den Verkehr gebracht hätte .... Eine Haftung der Beklagten ist aber deswegen begründet, weil sie Warn- und Instruktionspflichten gegenüber dem Kläger verletzt hat ...:

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OLG Düsseldorf: Werbung mit CE

OLG Düsseldorf, -Az.: I-15 U 58/15- vom 25.02.2016

Das Urteil in Kürze zusammengefasst

In dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.02.2016 (Az.: I-15 U 58/15) ging es um die Werbeaussage eines Verkäufers für einen Elektro-Wecker. Im Internet hatte der Händler das Produkt mit der Aussage "Inkl. Netzteil: CE/TÜV/GS-geprüft" beworben. Daran hat ein Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes Anstand genommen und den Händler auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das OLG hat dem Verein Recht gegeben und die genannte Werbeaussage untersagt. Denn der Werbende habe jedwedes "Beiwerk" zu unterlassen, das geeignet ist, irrige Vorstellungen des Verbrauchers betreffend die Bedeutung des CE-Zeichens hervorzurufen bzw. noch zu verstärken. Durch die genannte Darstellung habe der Händler nach Auffassung des Gerichtes gegen diesen Grundsatz verstoßen und damit die Kunden irregeführt.

Kontext und Inhalt der Entscheidung

Mit der Anbringung der CE-Kennzeichnung auf einem Produkt bringt der Hersteller zum Ausdruck, dass er die Verantwortung für die Konformität dieses Produktes mit allen in den einschlägigen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft -die eine CE-Kennzeichnung verlangen- enthaltenen und für deren Anbringung geltenden Anforderungen übernimmt. Dabei handelt es sich aber nicht um ein echtes "Prüfsiegel" wie z.B. das GS-Zeichen. Trotzdem wird immer wieder versucht, mit eben dieser zwingend vorgeschriebenen Kennzeichnung das Produkt in der Werbung als besonders qualitativ hochwertig darzustellen, weil es eben ein CE-Kennzeichen hat.

Bereits in der Vergangenheit gab es viele Entscheidungen zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von Werbeaussagen im Zusammenhang mit dem CE-Kennzeichen. Die Anbringung des CE-Kennzeichens selbst ist selbstverständlich nicht irreführend. Entsprechendes gilt nach Auffassung des OLG Frankfurt, Urt. v. 17.08.2000, Az.: 6 U 98/99 auch für einen entsprechenden Hinweis in einem Werbeblatt, als das Gericht ausführte, dass es sich hierbei um eine "Werbung mit Selbstverständlichkeiten" handele, die zulässig ist, solange hieraus nicht der Eindruck einer "Besonderheit" des Produktes gewonnen werden kann. Dass man sich hier auf einem schmalen Grade befindet, soll hier nur kurz angedeutet werden. Es kommt auch hier immer auf die Umstände des Einzelfalls an, denn sobald beim Empfänger der Information der Eindruck vermittelt wird (oder werden kann), ein bestimmtes Produkt habe Eigenschaften, die ein Produkt des Wettbewerbers nicht habe, liegt eine Irreführung wieder nahe.

Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist von dieser Frage des "ob" aber die Frage des "wie" zu unterscheiden. Bereits länger entschieden ist, dass insbesondere die  Aussage "CE-geprüft" unzulässig ist, z.B. OLG Frankfurt, Urt. v. 21.06.2012, Az.: 6 U 24/11 (irreführend, wenn der Verwender mit dem CE-Zeichen lediglich selbst die Konformität seines Produkts mit den einschlägigen Vorschriften bestätigt); LG Landau, Urt. v. 06.11.2013, Az.: HK O 16/13 (irreführend, wenn in Bezug auf die CE-Kennzeichnung eine Überprüfung durch eine unabhängige Stelle und die Erteilung eines entsprechenden Prüfsiegels nicht stattgefunden haben); LG Darmstadt, Urt. v. 19.02.2010, Az.:  15 O 327/09.

Das OLG Düsseldorf fordert in der vorliegenden Entscheidung darüber hinaus aber weiter, dass "…jedwedes "Beiwerk" zur allein geforderten "neutralen" Anbringung des CE-Zeichens zu unterlassen [sei], das geeignet ist, irrige Vorstellungen des Durchschnittsverbrauchers betreffend die Natur des CE-Zeichens hervorzurufen bzw. noch zu verstärken…". In der hier beanstandeten Aussage "Inkl. Netzteil: CE/TÜV/GS-geprüft" sah das Gericht die Gefahr, dass "… von einem Durchschnittsverbraucher aufgrund der engen räumlichen Nähe zu den echten Prüfsiegeln "GS" und "TÜV" auch in Bezug auf das CE-Zeichen eine objektiv nicht gegebene Prüfung durch (mehr oder weniger unabhängige) Dritte vorausgesetzt wird.".

Damit bleibt festzuhalten, dass es bereits aus grundsätzlichen Erwägungen irreführend ist, eine CE-Kennzeichnung in unmittelbarer Nähe zu in der Werbung enthaltenen Hinweisen auf echte Prüfsiegel anzubringen.

Empfehlung für Händler und Hersteller

Auch wenn die Entscheidung die Werbeaussage eines Händlers betraf, hat sie auch Relevanz für die Hersteller selbst. Denn nicht selten finden sich entsprechende Aussagen auch in den Gebrauchs- und Bedienungsanleitungen oder sonstigen Begleitdokumenten, auf Verpackungen oder in eigenen Werbeanzeigen, Aufstellern, Bannerwerbungen im Internet etc. Oftmals ist der Hersteller auch selbst der Händler seiner Produkte und nimmt selbst die Werbemaßnahmen vor.

Daher gilt es – für Händler und Hersteller gleichermaßen und unabhängig von der konkret beanstandeten Aussage – sehr genau darauf zu achten, dass es bei Aussagen zum Produkt – egal an welcher Stelle – nicht zu einer Vermischung von Aussagen in Bezug auf das CE-Kennzeichen einerseits und "echte" Prüfsiegel oder Prüfungen als solchen andererseits kommt. Zu empfehlen ist hier in jedem Fall eine klare räumliche und graphische Trennung von entsprechenden Hinweisen, z.B. durch einen neuen Absatz, eine neue Überschrift etc. Kommas, Schrägstriche, Punkte usw. jedenfalls sind nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf mit einem gewissen Risiko verbunden. Schließlich sollte vermieden werden, dass Worte wie "Prüfung" oder "geprüft" oder "getestet" oder "Qualität" im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung genannt werden. Jede dieser Aussagen begegnet der Gefahr, den Kunden über die Natur des CE-Kennzeichens irrezuführen.

Es ist somit nicht ausreichend, nur konforme Produkte herzustellen, sondern es ist dringend zu empfehlen, auch bei der Erstellung der Begleitdokumentation (z.B. Werbeunterlagen) auch auf die Einhaltung wettbewerbsrechtlicher Aussagen zu achten.

Kontakt:

Rechtsanwalt Dr. Ulrich Becker
CMS Hasche Sigle
Neue Mainzer Straße 2-4
60311 Frankfurt am Main
Mail: ulrich.becker[a-t]cms-hs.com
Tel: +49 69 71701 119

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OLG Frankfurt: Keine Haftung eines Waschanlagenbetreibers

OLG Frankfurt am Main vom 14.12.2017, Az. 11 U 43/17

Die Pressestelle des OLG-Frankfurt teilte zu o.a. Urteil mit:

"Der Betreiber einer Waschanlage haftet nicht für Beschädigungen, die durch den Gebläsebalken einer Waschstraße verursacht werden, dessen Sensor defekt ist. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute verkündetem Urteil entschieden und bekräftigt, dass der Betreiber einer Waschstraße grundsätzlich nur für schuldhafte Pflichtverletzungen einzustehen habe. [...]"

Was war passiert:

Ein Autofahrer benutzte die automatische Waschanlage des Betreibers. Dabei kollidierte der Trocknungsbalken mit seinem Fahrzeug und beschädigte dieses. Schadensursache war, wie sich später herausstellt, ein defekter Sensor der Waschanlage. Den Schaden wollte der Autofahrer vom Betreiber der Waschanlage ersetzt bekommen. Dieser war dazu nicht bereit und berief sich auf seinen AGB in der u.a. stand:

"3. Bei Eintritt eines Schadens durch den Waschvorgang in der Waschanlage haftet der Waschanlagenunternehmer für den unmittelbaren Schaden."

In der 1. Instanz vor dem Landgericht hatte der Autofahrer noch Recht bekommen. Diesem Urteil folgte das OLG Frankfurt allerdings nicht und wies die Klage vollumfänglich ab. Dabei begründet es sein Urteil im Wesentlichen mit:

"Grundsätzlich haftet der Betreiber einer Autowaschstraße nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zwar für Fahrzeugschäden, die bei der Benutzung seiner Autowaschstraße entstanden sind [...]. Sofern - wie hier - dem Kläger kein Fehlverhalten bei der Benutzung oder ein Defekt des Fahrzeuges nachzuweisen sind, wird auch vermutet, dass die Schadensursache im Organisation- und Gefahrenbereich des Unternehmers liegt. Es entspricht allgemeiner Rechtsprechung, dass - abweichend von der grundsätzlichen Beweislastverteilung, wonach der Geschädigte darlegen müsste, das sein PKW beim Betrieb der Waschanlage beschädigt wurde und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung zurückzuführen ist - für Schadensfälle, die sich in einer Waschstraße ereignen, von der Schädigung auf die Pflichtverletzung des Betreibers geschlossen würden kann, sofern der Geschädigte darlegt und beweist, dass die Schadensursache aus dem Verantwortungsbereich des Betreibers herrühren kann [...].

Dem Beklagten ist jedoch der ihm obliegende Nachweis seiner Schuldlosigkeit für die Beschädigung gelungen. [...].

Ausweislich der im Berufungsverfahren gemäß § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachenfeststellungen des landgerichtlichen Urteils wurde die Beschädigung des Kraftfahrzeugs durch eine "defekte Platine bzw. ein damit verbundener defekter Sensor" der Waschanlage verursacht [...].

Ist damit die Beschädigung des Fahrzeugs auf einen Defekt der Waschanlage selbst zurückzuführen, der die Programmierung des Gebläsebalkens betraf, so kann den Beklagten kein Verschuldensvorwurf gemacht werden. [...]

Z. 3 enthält weder dem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck nach eine Übernahme einer verschuldensunabhängigen Haftung für unmittelbare Schäden im Zusammenhang mit dem Waschvorgang. [...] Die Klausel befindet sich unterhalb der in Z. 1 enthaltenen Formulierung, wonach eine Haftung des Anlagebetreibers hinsichtlich näher aufgeführter Schadensursachen entfällt, "außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz."

[...] Zum anderen entspricht es allgemeinen vertraglichen - auch im Werkvertrag geltenden - Grundsätzen, dass im Regelfall nur für verschuldete Schäden einzustehen ist. Dies deckt sich auch mit der allgemein bekannten Versicherbarkeit denkbarer Schäden. [...] Ausgehend hiervon ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung den schutzwürdigen Interessen des Klägers als Besteller hinreichend gedient, wenn der Beklagte als Unternehmer den Beweis für seine Schuldlosigkeit zu führen hat, sofern die Schadensursache in seinem Organisation- und Gefahrenbereich liegt [...]. Ist jedoch, wie hier, unstreitig, dass die Schadensursache nicht im Organisations- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers liegt, besteht keine Grundlage, dennoch eine verschuldensunabhängige Haftung - trotz der möglichen Inanspruchnahme des Waschanlagenherstellers - zu zuerkennen. Der Kläger wird insoweit auch nicht rechtlos gestellt, da ihm die Inanspruchnahme des Herstellers der Waschstraße möglich ist."

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OLG Frankfurt: Rückgriff der Unfallversicherung auf Unternehmen und Geschäftsführer

OLG Frankfurt am Main vom 4.4.2014 - 2 U 93/13 -

Der Geschäftsführer eines Metall verarbeitenden Betriebes hatte einen Mitarbeiter angewiesen einen über 200 kg schweren Metallrahmen während des Transportes mit dem Gabelstapler mit der Hand festzuhalten. Der Metallrahmen lag während des Transportes nur auf den Zinken des Staplers auf und war nicht weiter gesichert. Der Mitarbeiter hatte auf den Umstand der nicht befestigten und viel zu schweren Ladung hingewiesen, den Anweisungen des Geschäftsführers aber trotzdem Folge geleistet. Der Metallrahmen fiel dann während des Transportes auf den Mitarbeiter und verletzte diesen so schwer, dass er vom Hals abwärts gelähmt wurde.

Die auf Grund des Unfalls anfallenden Kosten (Heilbehandlung, Pflegegeld, monatliche Entschädigung für Kleider und Wäscheverschleiß sowie monatliche Rente) hatte die gesetzliche Unfallversicherung zunächst beglichen, aber von den Beklagten (Unternehmen und Geschäftsführer) im Wege des Rückgriffes zurückverlangt, da beide sich grob fahrlässig verhalten hätten. Hierzu berief sich die Unfallversicherung auf einen Verstoßes gegen die Unfallverhütungsvorschriften zur Ladungssicherung. Außerdem wäre der verletzte Mitarbeiter nicht für diese Arbeiten qualifiziert und es wären keine für den Transport geeigneten Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt worden. Besonders vorwerfbar wäre, dass der Geschäftsführer vom Geschädigten auf die Gefahr hingewiesen worden sei.

Das OLG Frankfurt kam zu dem Ergebnis, dass der Geschäftsführer den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Das Gericht führt u.a. dazu aus:

"Die grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII bezeichnet die Verletzung der im Einzelfall erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maß, so zum Beispiel wenn schon einfachste, sich aufdrängende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn das, was jedermann einleuchtet nicht beachtet wird. […] Ein objektiv besonders gewichtiger Pflichtverstoß liegt in der Regel dann vor, wenn gegen eindeutige Sicherungsanweisungen verstoßen wurde, die gegen tödlich Gefahren schützen sollen (BGH a.a.O., juris-Rdn. 14).

Für "Flurförderzeuge" gilt die Unfallverhütungsvorschrift. BGV D27. Diese soll die Versicherten vor tödlichen Gefahren schützen, welche bei dem Betrieb eines solchen Fahrzeugs eintreten können."

Damit ist nach Auffassung des OLG ein Rückgriff der Unfallversicherung auf die Beklagten nicht gemäß § 110 Abs. 2 SGB VII ausgeschlossen. Eine Freistellung von dem Rückgriff ist nämlich dann nicht geboten, "wenn es wegen des ursächlichen Verhaltens des Arbeitgebers nicht mehr gerechtfertigt erscheint, die Folgen des Unfalls auf die übrigen Beitragsmitglieder der Berufsgenossenschaft abzuwälzen." Dies liegt nach Auffassung des OLG hier vor. Auch eine Minderung des Rückgriffanspruchs wurde vom Gericht verneint. Ein Mitverschulden des Verletzten konnte nicht festgestellt werden. Dieser konnte sich den Anweisungen des Geschäftsführers nämlich nicht entziehen.

Das Gericht stellte weiterhin fest, dass der von der Unfallversicherung geltend gemachte Schaden vollumfänglich begründet und gesamtschuldnerisch von den Beklagten zu tragen ist:

  • 699.745,53 € zuzüglich aufgelaufene Zinsen in Höhe von 5 %
  • Sämtliche nach §§ 110 f SGB VII erstattungsfähige Aufwendungen

Weiterhin wurde der Geschäftsführer vom Amtsgericht Schluchtern wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.

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OLG Frankfurt: Verletzung der Instruktionspflicht = Abmahnfähige Wettbewerbsverletzung

OLG Frankfurt - Az.: 6 U 64/14 - vom 21.05.2015

Der Hersteller eines Garagentorantriebes war von einem Wettbewerber abgemahnt worden, weil es möglich war, an dem Antrieb Einstellungen vorzunehmen, bei denen zulässige Grenzwerte überschritten werden. Hierauf war in der Betriebsanleitung nicht ausreichend hingewiesen worden.

Nach Auffassung des Gerichtes durfte der Garagentorantrieb deshalb nicht mit "CE" gekennzeichnet werden und auch nicht auf dem Markt bereitgestellt werden.

Das OLG Frankfurt hat hierzu in seinem Urteil u.a. ausgeführt:

  1. Ermöglicht die Gebrauchsanleitung eines Garagentores eine Einstellung, bei der die Sicherheit und Gesundheit von Menschen gefährdet ist, liegt ein Verstoß gegen § 3 Abs.1 Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) vor.
  2. Eine Verletzung des § 3 Abs.1 ProdSG ein ist abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß.

Sachverhalt

Die Beklagte Partei stellt u.a. den Antrieb "A" für ein Garagentor her, der mit einem CE-Kennzeichen versehen ist. Sie vertreibt den Antrieb in Deutschland über ein Fachhändlernetz. Der Antrieb wird jedoch auch von Händlern auf Internetplattformen an Endverbraucher vertrieben. Der Antrieb kann unter anderem in Verbindung mit den Toren der Klägerin eingesetzt werden. Der Antrieb wurde vom TÜV überprüft und zertifiziert. Die Beklagte gibt für das Produkt eine Gebrauchsanleitung sowie eine Bedienungsanleitung heraus. Sie beschreibt hierin u.a. die Einstellung der Sensibilität der Hinderniserkennung des Antriebs in 4 verschiedenen Stufen von „sehr sensibel" bis hin zu "sehr wenig sensibel. Sie weist auch auf eine erforderliche Belastungsmessung wie am Ende der Montage hin."

Die Klägerin ließ einen Antrieb "A" der Beklagten nach Einbau in ein Garagentor aus dem Hause der Klägerin von dem Institut B auf Einhaltung der DIN-EN 12453 überprüfen. Das Institut kam nach Änderung der Standardeinstellung auf die Stufe 1 ("sehr wenig sensibel") zu dem Ergebnis, dass die zulässigen Grenzwerte für die Betriebskräfte an den Messpunkten des Garagentores und die Einwirkzeiten bis zur Reversierung deutlich überschritten werden.

Die Klägerin hatte beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Garagentorantriebe zu vertreiben, sofern diese die in den jeweils einschlägigen technischen Normen in ihrer jeweils gültigen Fassung maximal zulässigen Grenzwerte überschreiten, sowie auf solchen Antrieben eine CE-Kennzeichnung anzubringen. Außerdem hat sie Erstattung der Abmahnkosten verlangt. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen da die technischen Vorgaben auf isoliert vertriebene Garagentorantriebe nicht anwendbar seien.

Das OLG Frankfurt gab der Berufung der Klägerin statt. Der Klägerin steht nach der Entscheidung des OLG Frankfurt gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs des Garagentorantriebs gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 II, III Nr. 1 UWG i.V.m. § 3 I ProdSG zu.

Aus den Gründen:

1.
2. Bei § 3 I ProdSG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Nach dieser Bestimmung darf ein Produkt nur dann „auf dem Markt“ bereitgestellt werden, wenn bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet wird. Die Vorschrift dient dem Schutz der Verbraucher und sonstigen Abnehmer der Produkte im Hinblick auf die Einhaltung sicherheitstechnischer Anforderungen. Sie regelt damit das Marktverhalten ihrer Anbieter.
3. Der Antrieb A darf nach §§ 3 I, 8 I ProdSG i.V.m. § 3 I Maschinenverordnung (ProdSV, 9. VO zum ProdSG v. 12.5.1993, zul. geändert durch Art. 19 d. G. v. 8.11.2011) nicht auf dem Markt bereitgestellt werden, weil er bei vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen gefährdet.
a) Der Antrieb stellt eine „Maschine“ im Sinne des § 2 Nr. 2 lit. c ProdSV dar. Es handelt es sich um ein einbaufertiges Antriebssystem, das nach Einbau in einem Gebäude funktionsfähig ist. Die Qualifizierung als „Maschine“ ist zwischen den Parteien unstreitig.
b) Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit von Personen eintreten kann, wenn der Antrieb entsprechend seiner werkseitig vorgegebenen Standardeinstellung installiert und betrieben wird. Eine Gefährdung kann allerdings unter Umständen dann eintreten, wenn die Sensibilität bei der Installation oder im Nachhinein auf Stufe 1 ("sehr wenig sensibel") eingestellt wird. Es ist vorhersehbar, dass Teile der Endverbraucher diese Einstellung vornehmen werden, ohne ausreichend über die damit verbundenen Risiken unterrichtet zu sein. Denn es handelt sich um eine planmäßige Einstellmöglichkeit, die in der Gebrauchsanleitung vorgesehen ist und weder besondere Fachkenntnisse noch Werkzeug erfordert. … Entgegen der Ansicht der Beklagten ist für den Endverbraucher nicht ersichtlich, dass sich die Gebrauchsanleitung ausschließlich an professionelle Installateure wendet. … Eine vorhersehbare Fehlanwendung durch Endverbraucher wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beklagte nach ihrem Vortrag die Antriebe nur an Fachunternehmer verkauft. Da es sich um ein Produkt für die "Verwendung im Wohnbereich" (Gebrauchsanleitung S. 2) handelt, ist damit zu rechnen, dass nicht nur ausgebildete Installateure, sondern auch Wiederverkäufer das Produkt erwerben und direkt und vollständig an Endverbraucher weitervertreiben. … Es kommt ferner nicht darauf an, dass die für die Installation vorgesehene "Gebrauchsanleitung", die die Hinweise zur Änderung der Einstellungen enthält, von der zusätzlichen „Bedienungsanleitung“ abtrennbar ist. Bei dem Testkauf der Klägerin wurden beide Anleitungen mitgeliefert. Auch damit musste die Beklagte rechnen.
c)
cc)
Der Antrieb ist bestimmungsgemäß für Garagentore mit Senkrechtbewegung zur Verwendung im Wohnbereich vorgesehen (Gebrauchsanleitung S. 2). … Die Verantwortung trifft nicht allein die Hersteller der kompletten Tore, also Installateure oder Verbraucher, die einen Antrieb nachrüsten bzw. Tor und Antrieb getrennt erwerben. Die Beklagte muss vielmehr Vorkehrungen dafür treffen, dass Verbraucher, die die entsprechenden Grenzwerte nicht kennen und die Betriebskräfte nicht selbst messen können, nicht Einstellungen wählen, die zu einer Überschreitung der Grenzwerte für Toranlagen führen.

ff) Die Produktsicherheit setzt im Streitfall allerdings nicht notwendig eine andere Gerätekonstruktion voraus. Der Gefährdung könnte grundsätzlich auch durch einen geeigneten Warnhinweis in der Gebrauchsanleitung begegnet werden. … Der vorhandene Hinweis, dass "unbedingt eine Belastungsmessung wie am Ende der Montage" durchgeführt werden muss, wenn die Standardeinstellung geändert wird, ist jedoch nicht ausreichend. Denn der Verbraucher erfährt nicht, was damit konkret gemeint ist. Er erfährt insbesondere nicht, dass bei der Stufe "sehr wenig empfindlich" die Sicherheit von Personen gefährdet ist, wenn sie von dem Tor eingeklemmt werden und dass die in den Euro-Normen EN 13241-1 und EN 12453 hierfür vorgesehenen Grenzwerte dann nicht eingehalten werden.

III. Antrag zu 1.b)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus §§ 3, 4 Nr. 11, 5 II Nr. 1, 8 UWG Anspruch auf Unterlassung, auf ihrem Antrieb eine CE-Kennzeichnung anzubringen.

1.Es ist irreführend, die CE-Kennzeichnung zu verwenden, wenn entweder die Sicherheitsanforderungen entgegen der Zertifizierung nicht erfüllt sind oder die angesprochenen Verkehrskreise der Kennzeichnung jedenfalls eine Bedeutung zumessen, die über den zertifizierten Bereich hinausgehen.

2. So liegt es im Streitfall. Der Antrieb wird zwar nicht unmittelbar von der Beklagten, jedoch in vorhersehbarer Weise über Dritte auch an Endverbraucher vertrieben. Nicht unerhebliche Teile der Endverbraucher gelangen aufgrund der Kennzeichnung zu der Vorstellung, das Produkt würde allgemein anerkannten Sicherheitsanforderungen auch dann entsprechen, wenn es in Kombination mit Toren verwendet wird, für die es bestimmungsgemäß vorgesehen ist und wenn die Sensibilität entsprechend den in der Gebrauchsanleitung vorgegebenen Stufen verändert wird. Dann handelt es sich jedoch aus den oben genannten Gründen nicht mehr in jedem Fall um ein sicheres Produkt. Solange die Gebrauchsanleitung nicht klarer gefasst ist, darf daher auch die CE-Kennzeichnung nicht verwendet werden.

Anmerkungen zum Urteil:

Das Urteil kann insgesamt nicht zufrieden stellen. Alle Parteien, einschließlich des Gerichtes, gehen bei der Würdigung des Falls davon aus, dass es sich bei dem Garagentorantrieb um eine vollständige Maschine im Sinne von Artikel 2a, Nr. 1, dritter Spiegelstrich der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (MRL) handelt. Dabei wird übersehen, dass erst die komplette Toranlage bestehend aus Antriebssystem und Garagentor diese vollständige Maschine darstellt.

Der reine Garagentorantrieb ist dagegen eine unvollständige Maschine im Sinne von Artikel 2g der MRL. Hier ist u.a. festgelegt:

"Ein Antriebssystem stellt eine unvollständige Maschine dar"

Insofern ist die "CE-Kennzeichnung" des Antriebssystems nach § 6 Abs. 3 der 9. ProdSV verboten. Eine unvollständige Maschine muss dagegen von einer Einbauerklärung und Montageanleitung begleitet werden. In der Einbauerklärung muss explizit darauf hingewiesen werden, dass die unvollständige Maschine erst dann in Betrieb genommen werden darf, wenn die fertige Maschine den Bestimmungen der MRL entspricht. Siehe hierzu MRL, Anhang II 1. B, Nr. 6. Die unvollständige Maschine selbst kann nämlich nicht alle Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen des Anhang I der MRL erfüllen.

Damit wird auch klargestellt, dass erst die vollständigen Toranlage, in die der Antrieb quasi "untergeht", alle Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen des Anhang I der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG erfüllen muss. Verantwortlich hierfür ist der Hersteller dieser Toranlage, d.h. derjenige, der die Verantwortung dafür trägt, dass ein bestimmtes Tor mit einem bestimmten Antrieb zu einer Toranlage zusammengefügt wird.

Übersehen wurde im Prozess auch, dass es sich bei dem besagten Antrieb um ein Verbraucherprodukt handelt und insofern zusätzlich zur Maschinenrichtlinie 2006/42/EG auch die europäische Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG einschlägig ist. Die Bestimmungen dieser Richtlinie sind national in § 6 ProdSG umgesetzt.

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OLG Frankfurt: Werbung mit "CE-geprüft" ist irreführend

OLG Frankfurt, 6. Zivilsenat -AZ: 6 U 24/11- vom  21.6.2012

Leitsatz:

  1. Die Angabe "CE-geprüft" für ein Produkt ist irreführend, wenn der Verwender mit dem CE-Zeichen lediglich selbst die Konformität seines Produkts mit den einschlägigen Vorschriften bestätigt.
  2. Irreführende Angaben überschreiten stets die Spürbarkeitsgrenze im Sinne von § 3 II UWG.

Das Gericht bestätigt damit nicht nur das Urteil des LG Frankfurt vom 27. Januar 2011, AZ: 3/11 O 108/10, sondern verschärft es sogar.

Der Beklagten wird in dem Urteil untersagt Spielwaren mit der Angabe "CE-geprüft" zu bewerben.

In seiner Begründung führt das OLG Frankfurt u.a. aus:

"15 Die mit dem Berufungsantrag des Klägers (Klageantrag zu I. 2.) angegriffene Werbung ist irreführend (§ 5 UWG), weil die Angabe "CE-geprüft" – unabhängig von der Frage einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten - bei dem angesprochenen Verkehr den Eindruck erweckt, die beworbenen Spielzeugwaren seien einer Überprüfung durch eine vom Hersteller unabhängige Stelle unterzogen. Dieser Eindruck ist unzutreffend, weil der Verwender mit dem CE-Zeichen lediglich selbst die Konformität seines Produkts mit den einschlägigen Vorschriften bestätigt (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., Anh. zu § 3 III, Rdz. 2.2). Die hervorgerufene Fehlvorstellung ist auch geeignet, die Kaufentscheidung zu beeinflussen."

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OLG Koblenz: Warnung gegen Fehlbedienung bei Profimaschinen

OLG Koblenz -AZ 12 U 538/04- vom 29.08.2005

Das OLG Koblenz hat in seinem Urteil folgende Klarstellung getroffen:

Leitsatz:

Nach den Grundsätzen der Produkthaftung muss der Hersteller eines Produktes nicht nur für Schäden einstehen, die auf einer fehlerhaften Konstruktion oder Fabrikation im genannten Sinne beruhen. Er ist grundsätzlich auch zum Ersatz solcher Schäden verpflichtet, die dadurch eintreten, dass er die Verwender pflichtwidrig nicht auf Gefahren hingewiesen hat, die sich aus der Verwendung des Produkts ergeben. Eine solche Warnpflicht erstreckt sich auch auf einen nahe liegenden Fehlgebrauch. Sie entfällt jedoch, wenn das Produkt ausschließlich in die Hand von Personen gelangen soll, die mit den Gefahren vertraut sind, wenn die Gefahrenquelle offensichtlich ist oder wenn es um die Verwirklichung von Gefahren geht, die sich aus einem wenigstens leichtfertigen Fehlgebrauch ergeben.

In dem zu Grunde liegenden Fall hatte ein gewerblicher Bediener einer Knetermaschine zur Aufbereitung von PVC-Kunststoff diese Maschine unsachgemäß geöffnet, nachdem sie durch erklalteten Kunststoff verklebt war. Dabei hatte er sich erheblich verletzt. Das Gericht hat eine Hinweispflicht des Herstellers auf diese nicht zulässige Art der Öffnung des Gerätes verneint und dazu ausgeführt:

"Diese Pflicht entfällt jedoch dann, wenn das Produkt nach den berechtigten Erwartungen des Herstellers ausschließlich in die Hand von Personen gelangen kann, die mit den Gefahren vertraut sind (BGHZ 116, 60, 65 f.; BGH NJW 1986, 1863, 1864; 1999, 2815, 2816), wenn die Gefahrenquelle offensichtlich ist (BGH NJW 1995, 2631, 2632) oder wenn es um die Verwirklichung von Gefahren geht, die sich aus einem vorsätzlichen oder äußerst leichtfertigen Fehlgebrauch ergeben (BGH NJW 1999, 2815, 2816)."

Achtung:
Dies gilt damit z.B. nicht bei "Profimaschinen" die als sog. "Migrationsprodukte" auch in die Hände von Verbrauchern gelangen können, z.B. über den Verkauf in einem Baumarkt.

Zum kompletten Urteil siehe:

Urteil OLG Koblenz vom 29.08.2005 -AZ 12 U 538/04-

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OLG Köln: Mangelhafte Tragwerkplanung auf Grund mangelhafter Software

OLG Köln, Urteil vom 31.05.2017 - 16 U 98/16

Ein Tragwerkplaner hatte für die Berechnung eines Tragwerks „übliche“ Software verwendet, die sich im späteren Verfahren als fehlerhaft erwies. Das damit berechnete Tragwerk wurde dann mehrfach (alleine 9 Prüfberichte innerhalb von 5 Monaten) vom Prüfstatiker beanstandet. Da der Prüfstatiker keine Freigabe erteilte, verzögerte der Bau sich erheblich und es traten schließlich auch noch zusätzliche Kosten wegen eines anderen Wandaufbaus ein. Die Bauherrin verklagte den Statiker deshalb auf Schadensersatz in Höhe von fast 400.000,- €.

Das Landgericht Aachen hatte die erstinstanzliche Klage der Bauherrin abgewiesen,

"da nach der Beweisaufnahme feststehe, dass im Hinblick auf den einzigen nachgewiesenen Mangel der fehlerhaften Mauerwerksnachweise kein Verschulden des Beklagten vorliege, da dieser für seine Berechnungen ein übliches Softwareprogramm unter zutreffender Eingabe der Daten benutzt habe, die Fehlerhaftigkeit des Programms nicht erkennbar gewesen sei und von Tragwerksplanern nicht verlangt werde, dass diese ihre Planung nach unterschiedlichen Softwareprogrammen berechneten."

In der Berufungsverhandlung bekam die klagende Bauherrin teilweise Recht. Zu dem auch für den Maschinenbau interessanten Problem der fehlerhaften Software vertritt das OLG Köln in seinem Urteil folgende Auffassung:

"Nach den Ausführungen des Sachverständigen […] hat der Beklagte für seine Berechnungen ein übliches Softwareprogramm unter zutreffender Eingabe der Daten benutzt. Wenn die Fehlerhaftigkeit des Programms nicht erkennbar war, sei der Tragwerksplaner […] nicht gehalten, seine Planung nach unterschiedlichen Softwareprogrammen zu berechnen.

Der hierauf gestützten Wertung des Landgerichts, die Verwendung des Softwareprogramms begründe keinen Fahrlässigkeitsvorwurf, ist grundsätzlich beizupflichten. Der Maßstab für die nach § 276 Abs. 2 BGB im Verkehr erforderlichen Sorgfalt richtet sich nach dem Verkehrskreis, insbesondere der einschlägigen Berufsgruppe und hat auch tatsächliche Übungen mit zu berücksichtigen […]. Durch die Verwendung eines üblichen Berechnungsprogrammes hat der Beklagte die an einen Tragwerksplaner zu stellenden Sorgfaltsanforderungen zunächst eingehalten.

Dies galt aber nur solange, wie die Fehlerhaftigkeit des Programmes für ihn nicht erkennbar war. Bei Hinweisen auf eine fehlerhafte Berechnung darf der Tragwerksplaner nicht weiter auf das von ihm als technisches Hilfsmittel verwendete Softwareprogramm vertrauen, wenn er nicht zumindest die mit diesem erzielten Ergebnisse auf Plausibilität hin überprüft hat.

Vorliegend war der Beklagte durch mehrere Schreiben des Prüfstatikers auf den Mauerwerksnachweis betreffende Berechnungsfehler hingewiesen worden.

[…]

Diese über einen Zeitraum von etwa 3,5 Monaten in insgesamt 6 Schreiben immer wieder vorgebrachten und überwiegend mit Begründungen versehenen Bedenken gegen die erstellten Mauerwerksnachweise gaben dem Beklagten erkennbaren Anlass für eine Überprüfung seiner Berechnungen. Er durfte sich spätestens ab Mitte August 2010 nicht mehr auf das von ihm verwendete Rechnungsprogramm verlassen, sondern hätte seine Berechnungen durch Verwendung eines anderen Softwareprogramms oder gar durch händische Nachberechnung kontrollieren müssen. Dass er entsprechende Kontrollmaßnahmen unterlassen hat, war fahrlässig.

[…]

Der Klägerin ist dadurch ein Gesamtschaden in Höhe von 137.763,95 € entstanden.

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OLG Köln: Nichteinhaltung einer harmonisierten Norm kein ausreichender Untersagungsgrund

OLG Köln, Urteil vom 15.09.2006 - 6 U 46/06

Ein Vertreiber von Elektrowerkzeugen hatte eine einstweilige Verfügung gegen die Bewerbung, das Anbieten und den Vertrieb einer Tauchkreissäge durch einen Wettbewerber erwirkt. Die Begründung für diese einstweilige Verfügung war, dass diese nicht mit den Bestimmungen der Maschinenrichtlinie übereinstimmt, weil sie nicht der EN 60745-2-5:2003 "Handgeführte motorbetriebene Elektrowerkzeuge" entspricht. Diese einstweilige Verfügung wurde zunächst vom Landgericht Köln bestätigt.

Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde vom OLG Köln die einstweilige Verfügung aufgehoben. Die Nichteinhaltung einer unverbindlichen harmonisierten Norm führt nach Auffassung des Gerichtes nicht dazu, dass ein Produkt nicht auf den Markt gebracht werden darf. Es führt hierzu u.a. aus:

"[...] Entspricht eine Maschine nicht der einschlägigen harmonisierten Norm, so streitet kein Vermutungstatbestand dafür, dass den maßgeblichen Sicherheitsforderungen entsprochen ist. Es steht aber nicht auch umgekehrt fest, dass die Sicherheitsvorkehrungen deswegen untauglich sind. [...] "

Die Antragstellerin hatte den Nachweis der fehlenden Übereinstimmung der Maschine mit der Maschinenrichtlinie selbst in dem Verfahren nicht in ausreichendem Maße geführt, zumal hier unterschiedliche Aussagen verschiedener Experten vorlagen.

Allerdings hatte zu diesem Zeitpunkt bereits das Staatliche Amt für Arbeitsschutz Dortmund den Weiterverkauf der Maschine wegen erheblicher sicherheitstechnischer Mängel untersagt. In wie weit die Maschine tatsächlich mangelhaft ist, kann nach Auffassung des Gerichtes nur in einem Hauptsacheverfahren mit Hilfe eines unabhängigen Sachverständigen geklärt werden.

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OLG Rostock: Voraussetzungen für einen Konstruktionsfehler

OLG Rostock, Urteil vom 16.12.2021 - 5 U 21/18

Sachverhalt:
Eine Versicherung hatte gegen den Hersteller eines Ackerschleppers auf Schadensersatz geklagt. Dieser war incl. einer angehängten Ballenpresse während des Arbeitseinsatzes in Brand geraten. Die Versicherung, die den Brand des Ackerschleppers und der Ballenpresse entschädigt hatte (Aufwendungen betragen 141442,41 €), sah die Brandursache in einem Konstruktionsfehler und in Instruktionsmängeln des Herstellers begründet.

Das LG Schwerin hatte die Klage der Versicherung abgewiesen. In dem Berufungsverfahren vor dem OLG Rostock wies das Gericht die Berufung ebenfalls zurück:
"Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist unbegründet. Den Klägerinnen stehen gegen die Beklagte zu 2) keine Schadensersatzansprüche gemäß §§ 1 Abs. 1 ProdHaftG, 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. § 86 Abs. 1 VVG zu."

Die Gründe für die Klageabweisung sind für den Maschinenbau allgemein interessant, da das Gericht in seinem Urteil wesentliche Grundsätze der Produkthaftung erläutert.

Nachfolgend der Orientierungssatz des Gerichtes:

  1. Ein Konstruktionsfehler liegt vor, wenn das Produkt schon seiner Konzeption nach unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibt. Zur Gewährleistung der erforderlichen Produktsicherheit hat der Hersteller bereits im Rahmen der Konzeption und Planung des Produkts diejenigen Maßnahmen zu treffen, die zur Vermeidung einer Gefahr objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind (BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 - VI ZR 1/12). Dabei sind Art und Umfang einer Sicherungsmaßnahme vor allem von der Größe der Gefahr abhängig. Je größer die Gefahren sind, desto höher sind die Anforderungen, die in dieser Hinsicht gestellt werden müssen (BGH, Urteil vom 17. März 2009 - VI ZR 176/08).(Rn.25)
  2. Dabei ist nicht auf die Branchenüblichkeit abzustellen, sondern es sind die Sicherungsmaßnahmen erforderlich, die dem im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts vorhandenen Stand der Wissenschaft und Technik konstruktiv möglich sind und als geeignet und genügend erscheinen, um Schäden zu verhindern.(Rn.26)
  3. Bei einem mit einem SCR-Abgasnachbehandlungssystem ausgestatteten Ackerschlepper, der konstruktionsbedingt für einen möglichst freien Austrag von Staub, Schmutz und insbesondere Erntegut sorgt, um heiße Oberflächen zu schützen, ist es auch aufgrund der Vibrationen im Fahrbetrieb nur theoretisch möglich, dass es zu entzündbaren Ablagerungen kommen kann. Ein längeres Verweilen von Material in der Anlage zur Abgasbehandlung mit längeren Temperatureinwirkungen ist daher nicht zu erwarten.(Rn.31) (Rn.37)
  4. Im Hinblick auf die allgemeine Gefahr, dass landwirtschaftliche Geräte bei Erntearbeiten aus unterschiedlichen Ursachen, insbesondere bei hohen Temperaturen und langanhaltender Trockenheit, immer wieder in Brand geraten, bedarf es von vornherein keines speziellen Warnhinweises. Denn ein Hersteller darf davon ausgehen, dass gewerbliche und fachkundige Abnehmer, an welche sich auch ein Ackerschlepper seiner Art nach richtet, jedenfalls über die typischen Gefahren und den richtigen Umgang beim Gebrauch desselben informiert sind.(Rn.60)

Auszüge aus der Begründung des OLG Rostock mit Randnummer:
22. Ein Anspruch nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG scheitert unabhängig von der Frage des Vorliegens eines Produktfehlers bereits daran, dass weder der zerstörte Ackerschlepper noch die angehängte Quaderballenpresse ihrer Art nach für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt waren, sondern es sich um Maschinen für den Erwerb durch Landwirtschaft handelte.

23. Nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme des Senats durch Befragung des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. G. lassen sich auch die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Klägerinnen gegenüber der Beklagten zu 2) nach § 823 Abs. 1 BGB, nämlich das Vorliegen eines Konstruktions-, Fabrikations-, Instruktionsfehlers oder einer Verletzung der Produktbeobachtungspflicht, nicht feststellen.

25. Ein Konstruktionsfehler liegt vor, wenn das Produkt schon seiner Konzeption nach unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibt. Zur Gewährleistung der erforderlichen Produktsicherheit hat der Hersteller bereits im Rahmen der Konzeption und Planung des Produkts diejenigen Maßnahmen zu treffen, die zur Vermeidung einer Gefahr objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind (BGH, Urteil vom 05. Februar 2013 – VI ZR 1/12 –, Rn. 13 m.w.N., juris). Dabei sind Art und Umfang einer Sicherungsmaßnahme vor allem von der Größe der Gefahr abhängig. Je größer die Gefahren sind, desto höher sind die Anforderungen, die in dieser Hinsicht gestellt werden müssen (BGH, Urteil vom 17. März 2009 – VI ZR 176/08 –, Rn. 8, juris).

26. Erforderlich sind die Sicherungsmaßnahmen, die nach dem im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts vorhandenen neuesten Stand der Wissenschaft und Technik konstruktiv möglich sind und als geeignet und genügend erscheinen, um Schäden zu verhindern. Dabei darf der insoweit maßgebliche Stand der Wissenschaft und Technik nicht mit Branchenüblichkeit gleichgesetzt werden; die in der jeweiligen Branche tatsächlich praktizierten Sicherheitsvorkehrungen können durchaus hinter der technischen Entwicklung und damit hinter den rechtlich gebotenen Maßnahmen zurückbleiben. Die Möglichkeit der Gefahrvermeidung ist gegeben, wenn nach gesichertem Fachwissen der einschlägigen Fachkreise praktisch einsatzfähige Lösungen zur Verfügung stehen. Hiervon kann grundsätzlich erst dann ausgegangen werden, wenn eine sicherheitstechnisch überlegene Alternativkonstruktion zum Serieneinsatz reif ist. Der Hersteller ist dagegen nicht dazu verpflichtet, solche Sicherheitskonzepte umzusetzen, die bisher nur "auf dem Reißbrett erarbeitet" oder noch in der Erprobung befindlich sind. Sind bestimmte mit der Produktnutzung einhergehende Risiken nach dem maßgeblichen Stand von Wissenschaft und Technik nicht zu vermeiden, ist unter Abwägung von Art und Umfang der Risiken, der Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung und des mit dem Produkt verbundenen Nutzens zu prüfen, ob das gefahrträchtige Produkt überhaupt in den Verkehr gebracht werden darf (BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 – VI ZR 107/08 -, Rn. 15 ff., juris).

27. Allerdings vermag allein die theoretische Möglichkeit, dass durch ein Produkt Rechtsgüter anderer verletzt werden, einen Konstruktionsfehler nicht zu begründen. Die berechtigte Sicherheitserwartung geht nicht dahin, dass jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet wird. Es kann nicht von jedem Produkt in jeder Situation absolute Sicherheit verlangt werden (BGH, Urteil vom 05. Februar 2013, a.a.O., Rn. 15, juris).

52. Die generelle Kritik der Klägerinnen, der Sachverständige habe den Stand der Wissenschaft gar nicht und den Stand der Technik unter Heranziehung der Modelle von Wettbewerbern fehlerhaft ermittelt, weil es auf eine Branchenüblichkeit der Sicherheitsvorkehrungen – richtigerweise – nicht ankomme, trifft nicht zu. Denn mit dem „Stand der Wissenschaft und Technik“ sind nicht abstrakt diskutierte technische Lösungen gemeint, sondern nach den zitierten Rechtsprechungsgrundsätzen muss eine sicherheitstechnisch überlegene Alternativkonstruktion zum Serieneinsatz reif sein.

57.  b) Zutreffend und von den Klägerinnen mit der Berufung nicht gerügt hat das Landgericht das Vorliegen eines Instruktionsfehlers verneint.

58. Den Hersteller eines Produkts trifft eine Instruktionspflicht, wenn sich mit dessen Verwendung verbundene Gefahren nach dem Stand von Wissenschaft und Technik durch konstruktive Maßnahmen nicht vermeiden lassen oder konstruktive Gefahrvermeidungsmaßnahmen dem Hersteller nicht zumutbar sind und das Produkt trotz der von ihm ausgehenden Gefahren in den Verkehr gebracht werden darf. In diesem Fall muss er die Verwender des Produkts vor denjenigen Gefahren warnen, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder naheliegendem Fehlgebrauch drohen und die nicht zum allgemeinen Gefahrenwissen des Benutzerkreises gehören. Denn den Verwendern des Produkts muss eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber ermöglicht werden, ob sie sich in Anbetracht der mit dem Produkt verbundenen Vorteile den mit seiner Verwendung verbundenen Gefahren aussetzen wollen. Sie müssen darüber hinaus in die Lage versetzt werden, den Gefahren soweit wie möglich entgegenzuwirken (BGH, Urteil vom 16. Juni 2009, a.a.O., Rn. 23 m.w.N.).

60. Im Hinblick auf eine allgemeine Brandgefahr, die durch die seitens des Landgerichts hervorgehobene Tatsache dokumentiert wird, dass landwirtschaftliche Geräte bei Erntearbeiten aus unterschiedlichen Ursachen immer wieder in Brand geraten, insbesondere bei hohen Temperaturen und langanhaltender Trockenheit, bedurfte es hingegen von vornherein keines speziellen Warnhinweises. Denn ein Hersteller darf davon ausgehen, dass gewerbliche und fachkundige Abnehmer, an welche sich das hiesige Produkt der Beklagten zu 2) seiner Art nach richtete, jedenfalls über die typischen Gefahren und den richtigen Umgang beim Gebrauch des Produktes informiert sind (vgl. BeckOGK/Spindler, 1.9.2021, BGB § 823 Rn. 660 m.w.N.; BGH, Urteil vom 14.05.1996 - VI ZR 158/95 -, beck-online).

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OLG Saarbrücken: Betriebsanleitung: Keine Angaben über "allgemeines Erfahrungswissen"

OLG Saarbrücken - AZ 2 U 32/13 - vom 21.08.2013

Die Klägerin hatte sich beim Selbstaufbau eines 3-teiligen Poolsets verletzt. Beim Absetzen der Stahlwand auf den Fuß, hatte diese eine Sehne auf dem Fußrücken durchtrennt. Die Klägerin hatte keine Sicherheitsschuhe, sondern lediglich dünnwandige Stoffschuhe getragen. Sie machte gegen den Hersteller geltend, dass dieser in seiner Montageanleitung zwar das Tragen von Handschuhen empfohlen hatte, nicht aber auf das notwendige spezielle sichere Schuhwerk hingewiesen hatte. Auch wurde nicht auf die „Scharfkantigkeit“ der Stahlwand hingewiesen. Sie macht deshalb einen Instruktionsfehler geltend und verlangt aus diesem Grund vom Hersteller Schmerzensgeld und "alle materiellen und immateriellen zukünftigen Ansprüche der Klägerin betreffend das Unfallgeschehen vom 12. Juni 2009 auszugleichen." Weiterhin weist sie darauf hin, dass der Hersteller bei aktuellen Lieferungen inzwischen u.a. auf die o.a. "Gefährdung" hinweist und auch auf das Tragen von Schutzschuhen. Auch hat er die Konstruktion der Stahlwand geändert sowie diese nunmehr mit einer Schutzfolien versehen.

Die Klägerin hatte in der ersten Instanz vor dem Landgerichts Saarbrücken - 9 O 187/11 verloren und war in die Berufung gegangen.

Der Hersteller hatte beantragt "die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen", da kein Instruktions- noch Konstruktionsfehler vorliege. Der Schaden sei auf die eigene Unaufmerksamkeit der Klägerin zurückzuführen.

Das OLG Saarbrücken entschied:

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. Dezember 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 9 O 187/11 - wird zurückgewiesen.
  2.  […]

Aus der Begründung:

[…] Die deliktsrechtliche Produkthaftung (oder Produzentenhaftung) aus § 823 Abs. 1 BGB, die parallel zu der Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz besteht […], beruht auf dem Gedanken, dass derjenige für eine Gefahrenquelle verantwortlich ist, der diese eröffnet oder beherrscht. […]. Abzustellen ist daher nicht auf die subjektive Sicherheitserwartung des jeweiligen Benutzers, sondern objektiv darauf, ob das Produkt diejenige Sicherheit bietet, welche die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält […]. Instruktionsfehler wiederum bestehen in einer mangelhaften Gebrauchsanweisung und/oder in einer nicht ausreichenden Warnung vor gefahrbringenden Eigenschaften, die in der Wesensart der als solchen fehlerfreien Sache begründet sind […].

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, von der abzuweichen der Senat keinen Anlass sieht, ist es grundsätzlich Sache desjenigen, der ein bestimmtes Produkt anschafft, sich selbst darum zu kümmern, wie er damit umzugehen hat. Der Hersteller und seine Repräsentanten haben nur dann für die Belehrung der Abnehmer zu sorgen, wenn und soweit sie aufgrund der Besonderheiten des Produkts sowie der bei den durchschnittlichen Benutzern vorauszusetzenden Kenntnisse damit rechnen müssen, dass bestimmte konkrete Gefahren entstehen können. […]. Lassen sich mit der Verwendung eines Produkts verbundene Gefahren nach dem Stand von Wissenschaft und Technik durch konstruktive Maßnahmen nicht vermeiden oder sind konstruktive Gefahrvermeidungsmaßnahmen dem Hersteller nicht zumutbar und darf das Produkt trotz der von ihm ausgehenden Gefahren in den Verkehr gebracht werden, so ist der Hersteller grundsätzlich verpflichtet, die Verwender des Produkts vor denjenigen Gefahren zu warnen, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder naheliegendem Fehlgebrauch drohen und die nicht zum allgemeinen Gefahrenwissen des Benutzerkreises gehören […]. Was auf dem Gebiet des allgemeinen Erfahrungswissens der in Betracht kommenden Abnehmerkreise liegt, braucht nämlich nicht zum Inhalt einer Gebrauchsbelehrung gemacht zu werden […].

Der Beklagten ist unter den gegebenen Umständen zuzustimmen, dass von einem durchschnittlichen Benutzer auch ohne entsprechenden Gefahrenhinweis des Herstellers erwartet werden konnte, die Stahlwand beim Abrollen und Einführen in die Bodenschiene - wie in der Berufungserwiderung gut nachvollziehbar beschrieben - so zu handhaben, dass diese nicht im Bereich über den Füßen des Trägers geführt wird, wodurch eine Verletzung der behaupteten Art ohne Weiteres bereits vermieden worden wäre. […] Bei dieser Sachlage war die Beklagte bei gebotener Zugrundelegung des Erfahrungswissens und der Gefahrsteuerungskompetenz […] eines Durchschnittskonsumenten auch nicht verpflichtet, auf die Notwendigkeit des Tragens von geeignetem Schuhwerk oder gar Sicherheitsarbeitsschuhen beim Aufbau hinzuweisen. […]

[…] An vorstehender Bewertung ändert sich auch nichts dadurch, dass in der Aufbauanleitung des aktuell vertriebenen Produkts unstreitig weiter gehende Sicherheitsinstruktionen erteilt werden. Denn nach dem Rechtsgedanken des § 3 Abs. 2 ProdHaftG, der auch für Instruktionspflichten gilt […], erlaubt der Umstand, dass ein Hersteller neue Erkenntnisse berücksichtigt und sein Produkt daran anpasst, für sich genommen nicht den Rückschluss auf das Vorliegen eines Fehlers des bereits in Verkehr gebrachten Produkts, worauf die Beklagte bereits zu Recht hingewiesen hat. […]

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OLG-Stuttgart: Bruch einer Lenksäule, Verletzung der Instruktionspflicht

OLG-Stuttgart -AZ U 28/15- vom 13. August 2015

Der Hersteller eines sog. "Bodylifts" wurde vom Geschädigten (Kläger) verklagt, weil dieser seinen Instruktionspflichten in Bezug auf den Einbau des Bodylifts in sein Fahrzeug nicht im erforderlichen Maße nachgekommen war. Die dadurch fehlerhafte Montage, führte zu einem Bruch der Lenksäule des Fahrzeugs des Klägers. Ursache war eine Reibung zwischen der Lenksäule des Fahrzeugs und einem Crash-Bügel.

Das OLG Stuttgart hat hierzu in seinem Urteil u.a. ausgeführt:

  • "(12) … Der Kläger hat schuldhaft gegen seine Instruktionspflicht verstoßen, weil er den Kläger bei Erwerb des Bodylifts nicht darauf hingewiesen hatte, dass zwischen der Lenksäule und dem Crash-Bügel ein Abstand verbleiben muss, da die Gefahr des Bruchs der Lenksäule besteht, wenn diese an dem Crash-Bügel streift (Ziffer I. 1). Diese schuldhafte Pflichtverletzung war kausal für den Schadenseintritt (Ziffer I. 2). … Ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1, Abs. 2 BGB ist dem Kläger nicht anzulasten (Ziffer I. 4). …"

Nach Auffassung des Gerichts

  • "(28) …war der Beklagte grundsätzlich verpflichtet, Prüfungen an den verschiedenen Fahrzeugmodellen, für die der Bodylift ausdrücklich zugelassen war, durchführen zu lassen und hierfür auch die möglichen Einbausituationen und insbesondere die verschiedenen Lenkradeinstellungen in den Blick zu nehmen, um vor Inverkehrgabe des Bodylifts feststellen zu können, welche sicherheitsrelevanten Gefahren durch den Einbau des Bodylifts entstehen können. …"

Ausdrücklich weist das Gericht darauf hin (Gründe Ziffer I, 29), dass auch eine vom Hersteller veranlasste positive TÜV-Prüfung ihn nicht von seinen zivilrechtlichen Sorgfaltspflichten entbindet. Er "muss mehr tun, als Behörden von ihm verlangen und kann seine eigene Verantwortung nicht an den Staat delegieren."

Das vollständige Urteil ist erhältlich unter http://www.justiz.baden-wuerttemberg.de

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OLG Stuttgart: Prüfung auf Fabrikationsfehler durch den Käufer

OLG Stuttgart -AZ 12 U 206/08- vom 16.06.2009

Das OLG Stuttgart hat in seinem Urteil folgende Klarstellung getroffen:

"Leitsatz:
Der Käufer, der vom Zulieferer bezogene Teile in ein von ihm hergestelltes Endprodukt einbaut, ist nach §377 Abs. 3 HGB im Rahmen der Zumutbarkeit verpflichtet, diese Teile - erneut - zu untersuchen, wenn der Endabnehmer Mängel anzeigt und der Verdacht besteht, dass diese auf Fehler der vom Zulieferer bezogenen Teile beruhen.
"

In dem zu Grunde liegenden Fall hatte ein Hersteller von Steckverbindungen mangelhafte Kontakte von einem Händler bezogen und diese verarbeitet. Der Mangel an den Kontakten wurde erst später auf Grund von Reklamationen durch Kunden des Herstellers der Steckverbindungen erkannt. Der Hersteller hatte in seiner Klage u.a. beantragt:

  1. Den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen
  2. Mehrere tausend Buchseneinsätze zurückzunehmen

Das OLG Stuttgart hat die Klage abgewiesen und in seiner Begründung u.a. sinngemäß ausgeführt:

  1. Dem Hersteller der Steckverbindungen steht kein Schadensersatz zu. Der Annahme von Gewährleistungsansprüchen steht entgegen, dass die Ware nach §377 Abs. 3 HGB als genehmigt gilt. Die Genehmigungswirkung folgt aus §377 Abs. 3 HGB, weil die Mängelrüge nicht unverzüglich erfolgt ist.
  2. Ein Käufer kann nicht zuwarten, bis ein Mangel zu tage tritt. §377 Abs. 1 bis 3 HGB bezweckt, den Verkäufer über den Verlauf des Geschäfts nicht länger als notwendig im Ungewissen zu lassen, ihn vielmehr möglichst bald in den Stand zu setzen, die durch die Beanstandung der Ware wegen Mangelhaftigkeit gebotenen Maßnahmen zu treffen. Daher muss er, wenn sich im späteren Verlauf Anhaltspunkte für einen Mangel zeigen, die Ware nochmals untersuchen. Dabei muss der Käufer im Rahmen der Zumutbarkeit auch einem Verdacht nachgehen und die Ware untersuchen. Dies war in dem vorliegenden Fall zunächst unterblieben.
  3. Bei einer rechtzeitigen Untersuchung der Buchseneinsätze hätte der Mangel früher als im vorliegenden Fall gerügt werden können. Ein "unaufwendiges" Prüfverfahren stand zur Verfügung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass im Falle eines Mangelverdachts höhere Anforderungen an die Untersuchung bestehen, da in diesem Fall auch dem Hersteller der Steckverbindungen an einer eigenen sorgfältigen Prüfung gelegen sein muss. Die verspätete Rüge war deshalb nicht mehr unverzüglich im Sinne von §377 Abs. 3 HGB.
  4. Der Händler hat die Kontakte nicht hergestellt sondern seinerseits erworben. Als Zwischenhändler haftet er jedoch grundsätzlich nicht für Konstruktions- oder Fabrikationsfehler. Eine Pflicht des Händlers zur Untersuchung der vertriebenen Ware auf Fehler besteht nur im Ausnahmefall, insbesondere wenn bereits Schadensfälle bei der Produktverwendung bekannt geworden sind oder wenn die Umstände des Falles eine Überprüfung nahe legen. Dies kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden.

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OLG Hamm: Importeurspflichten

OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2011

Zur Untersuchungspflicht eines Importeurs auf fehlerfreie Beschaffenheit der vertriebenen Ware (hier: Kabinenroller aus China) führt das Gericht aus:

"Dem Antragsteller steht … kein Anspruch auf Kostenersatz aus § 280 (1) BGB zu, da die Antragsgegnerin (Anm.: der Importeur) zur Untersuchung des importierten Fahrzeugs auf Konstruktionsfehler nicht verpflichtet war.

Auch ein Importeur ist nur Vertriebshändler, so dass auch ihm grundsätzlich nur händlerspezifische Gefahrenabwendungspflichten obliegen (Anm:: z.B. Kontrolle auf offensichtliche Mängel, Prüfung der Dokumentation auf Vollständigkeit).

Weitergehende (Untersuchungs-)Pflichten hinsichtlich der Konstruktion können den Importeur zwar im Einzelfall treffen, aber nicht nach Hersteller-Kriterien, so dass keine versteckten Konstruktionsfehler ermittelt werden müssen, beispielsweise durch Belastbarkeitstests.

Eine solche Untersuchungspflicht des Importeurs bezüglich der von ihm vertriebenen Waren auf gefahrenfreie Beschaffenheit ist im übrigen nur dann zu verlangen, wenn aus besonderen Gründen Anlass dazu besteht, weil etwa bereits Schadensfälle bei der Produktverwendung bekanntgeworden sind oder weil die Umstände des Einzelfalles eine Überprüfung nahelegen."

Solche Anhaltspunkte waren nach Ansicht des Gerichts im vorliegenden Fall nicht gegeben.

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OLG Nürnberg: Schwerer Arbeitsunfall mit Stanze: Hersteller, Arbeitgeber und externe FASI haften

OLG Nürnberg, Urteil vom 17.6.2014 — Aktenzeichen: 4 U 1706/12

Leitsatz des Urteils:

  1. Der Vertrag eines Arbeitgebers mit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit entfaltet Schutzwirkung zu Gunsten eines bei einem Arbeitsunfall verletzten Arbeitnehmers.
  2. Wird als Fachkraft für Arbeitssicherheit ein selbstständiger, nicht in die Betriebsorganisation eingebundener externer Unternehmer tätig, so kommen ihm bei einem Arbeitsunfall eines Beschäftigten die Haftungsprivilegien des Sozialgesetzbuchs VII nicht zugute.
  3. Der Arbeitgeber kann seine Verantwortung für die Sicherheit seiner Beschäftigten nicht mit haftungsbefreiender Wirkung auf die Fachkraft für Arbeitssicherheit übertragen.
  4. Die Haftung der Fachkraft für Arbeitssicherheit ist nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld um den Verantwortungsanteil des Arbeitgebers an dem Arbeitsunfall zu kürzen. Arbeitgeber und Fachkraft für Arbeitssicherheit bilden keine Haftungseinheit.

Sachverhalt:

Auf Grund eines Arbeitsunfalls mit einer Pappkartonstanze, hatte die zuständige Berufsgenossenschaft im Rahmen der Regressname gegen den Hersteller der Stanze (Beklagte zu 1.) und gegen die zuständige externe Fachkraft für Arbeitssicherheit (Beklagte zu 2.) geklagt.

Die Stanze wurde 1974 hergestellt und zu einem späteren Zeitpunkt von einem Hersteller der Maschinenrichtlinie 89/392/EWG angepasst und auch mit einem CE-Zeichen versehen. Allerdings entsprachen die Sicherheitseinrichtungen nicht den Anforderungen der Maschinenrichtlinie.

Die externe Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASI) war vertraglich eigenverantwortlich mit der Grundbetreuung des Betriebes nach dem Arbeitssicherheitsgesetz beauftragt. In der Ausübung seiner Tätigkeit war er weisungsfrei und nur dem Gesetz unterworfen. Die FASI hat für den Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung erstellt und hierin pauschal auf die erhöhte Gefährdung als „Maschinenarbeiterin“ hingewiesen. Konkrete Maßnahmen wurden nicht ausgesprochen. Zwei Wochen vor dem Unfall wurde nach einer Begehung durch die FASI im Protokoll festgehalten:

"[…] Bei der Begehung traten keine arbeitssicherheitstechnischen Aspekte auf."

Hinsichtlich der mangelhaften Maschine hat die FASI im Prozess die Auffassung vertreten, dass sich auf Grund der CE-Kennzeichnung kein Anlass zu einer Überprüfung der Maschine ergeben hätte.

Zu dem Thema "CE-Kennzeichnung" äußerte sich das Gericht in seiner Begründung wie folgt:

"Der Arbeitgeber kann sich vorliegend auch nicht damit entlasten, er habe wegen des auf der Maschine aufgebrachten "CE-Zeichen" auf deren Verkehrssicherheit vertrauen dürfen. Bei dem CE-Zeichen handelt es sich um eine Eigenerklärung des Herstellers, die sich an die Verwaltungsbehörden richtet. Sie ist kein Qualitätszeichen , sondern eine Art Warenpass und signalisiert weder Sicherheit noch Qualität des Produkts. Dem CE-Zeichen kommt keine Vermutungswirkung für die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik bzw. des in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Sicherheitsstandards zu (vgl. Kollmann , GRUR 2004, 6 m. w. N.). Aus dem CE-Zeichen können daher hier keine den Arbeitgeber oder den Beklagten zu 2) entlastende Folgerungen gezogen werden (anders LG Stuttgart, Urteil vom 10.04.2012, NJW 2012, 1169 im Falle einer EG Konformitätserklärung)."

In dem Verfahren wurden die beiden Beklagten gesamtschuldnerisch dazu verurteilt, für zwei Drittel der unfallbedingten Aufwendungen des Geschädigten, dazu gehört insbesondere auch die Verletztenrente, aufzukommen. Das gilt für bereits geleistete wie auch zukünftige Aufwendungen. Ein Drittel trägt der Arbeitgeber, für den die gesetzliche Unfallversicherung eintritt.

Anmerkung:

In dem Parallelrechtsstreit vor dem OLG Nürnberg (Az. 9 0 4331 /10, LG Nürnberg-Fürth; 4 U 1709/12, OLG Nürnberg), in dem der Geschädigte wegen des Unfalls und seiner Folgen von beiden Beklagten Schmerzensgeld, Schadensersatz und die Feststellung zur Verpflichtung zur Zahlung künftiger Schäden verlangt hatte, haben die Parteien nach Zahlung eines Betrages in Höhe von 84.000,00 Euro durch die Beklagte zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25.03.2013 einen Abgeltungsvergleich des Inhalts geschlossen, dass der Beklagte zu 2) an den Geschädigten zur Abgeltung des Feststellungsantrags weitere 4.000,00 Euro zahlt.

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VG Münster: Hersteller können Löschung der RAPEX-Meldung verlangen

VG Münster, Urteil vom 13. November 2019 - Az.: 9 K 2514/16

Aufgearbeitet von RA Dr. Ulrich Becker, CMS Hasche Sigle

Die o.a. Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster ermöglichte es dem betreffenden Hersteller von Radiergummis, – soweit ersichtlich erstmals – erfolgreich gegen eine unzutreffende RAPEX-Warnung vorzugehen und die Löschung der Warnung durchzusetzen.

RAPEX-Warnungen: Funktionsweise und Ziele

Das europäische Schnellwarnsystem "Rapid Exchange Information System", kurz RAPEX, wurde 2001 durch die EU-Richtlinie zur Produktsicherheit eingeführt. RAPEX ermöglicht den schnellen behördlichen Austausch von Informationen über unsichere Produkte, insbesondere Konsumgüter mit der Ausnahme von Nahrungs- und Arzneimitteln sowie medizinischen Geräten. Die von der Europäischen Kommission erstellten "RAPEX-Leitlinien" wurden zuletzt Ende 2018 aktualisiert und der Anwendungsbereich unter anderem auch auf Produkte ausgedehnt, die gewerblich genutzt werden.

Das RAPEX-System funktioniert dabei wie folgt: Die nationalen Marktüberwachungsbehörden melden – in Deutschland über die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) – der Europäischen Kommission Informationen über gefährliche Produkte, wenn diese ein "ernstes Risiko" darstellen und einen Rückruf oder eine Rücknahme der Produkte erforderlich machen, §§ 30, 26 ProdSG. Die Risikobewertung berücksichtigt insofern die Art der Gefahr und den Schweregrad einer möglichen Verletzung von Leib und Leben sowie die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung. Die Kommission prüft die Meldungen auf die Übereinstimmung mit den RAPEX-Leitlinien und leitet diese anschließend an die Behörden der am RAPEX-System teilnehmenden Staaten weiter. Zudem veröffentlicht die Kommission unter http://ec.europa.eu/rapex wöchentlich die gefährlichen Produkte, um insbesondere die Verbraucher vor den Gefahren dieser Produkte zu warnen.

In der Vergangenheit ist es jedoch immer wieder einmal vorgekommen, dass von den gemeldeten Produkten tatsächlich keine Gefahren ausgingen und die RAPEX-Meldungen unzutreffend waren. Eine solche unzutreffende Warnung kann dem Hersteller erheblichen – finanziellen und auch immateriellen – Schaden zufügen. Schon ein notwendiger Rückruf ist für den Ruf eines Unternehmens eine große Belastung; mehr noch gilt dies aber, wenn ein Produkt öffentlich "angeprangert" wird, welches tatsächlich gar nicht unsicher ist. Sehr verständlich ist daher, dass Hersteller bemüht sind, sich gegen diese falschen Meldungen zu wehren. Bislang hatten die Hersteller der gelisteten Produkte aber kaum Chancen, die Beseitigung der unzutreffenden Warnung vor ungefährlichen Produkten zu erzwingen, da sich weder die Europäische Kommission noch die Behörden auf Bundes- und Landesebene zuständig fühlten.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster

Das Verwaltungsgericht Münster entschied nun, dass die Hersteller eines zu Unrecht gemeldeten Produkts die Beseitigung der RAPEX-Meldung erzwingen können, wenn der Meldung eine fehlerhafte Risikobewertung zugrunde liege. Geklagt hatte ein Hersteller von Radiergummis in Gestalt von Golfschlägern oder Tierfiguren, die als Spielzeug für Kinder über drei Jahre deklariert waren. Das Produkt wurde bereits seit Jahren ohne besondere Vorkommnisse verkauft. Auf der Website der Kommission war der Radiergummi als "ernstes Risiko" gemeldet worden. Dagegen wendete sich der Hersteller mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht urteilte, dass die nach dem Landesrecht zuständige Marktüberwachungsbehörde, die das Produkt beanstandet hat und die Meldung zur Liste veranlasst hat, für die Beseitigung verantwortlich sei. Denn auch wenn die BAuA die von der Marktüberwachungsbehörde mitgeteilten Meldungen auf Vollständigkeit zu prüfen und zu validieren hat, bleibe die Fachverantwortung bei der Marktüberwachungsbehörde. Wenn die Einschätzung der Behörde zum vom Produkt ausgehenden Risiko falsch ist, habe sie zur Durchsetzung des sogenannten Folgenbeseitigungsanspruchs des Herstellers bei der Europäischen Kommission einen Antrag auf dauerhafte Entfernung der RAPEX-Meldung aus dem RAPEX-System und von der Website der Europäischen Kommission zu stellen.

Auswirkung auf die Praxis

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster ist zu begrüßen und ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem effizienteren Warnsystem. Denn nicht nur eröffnet das Urteil den Herstellern die Chance, die Beanstandung ihres Produkts zu überprüfen und im Fall der unzutreffenden Risikobewertung die Löschung der Meldung durchzusetzen. Zugleich wird durch die Entscheidung auch das Vertrauen in die RAPEX-Meldungen gestärkt, da wieder stärker davon ausgegangen werden kann, dass von den als gefährlich gemeldeten Produkten auch tatsächlich eine Gefahr ausgeht. Hinzuweisen ist aber, dass das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen hat. Aber unabhängig davon, ob die Entscheidung rechtskräftig wird, dürfte schon jetzt anzunehmen sein, dass Behörden künftig noch verstärkter darauf achten, dass ihre Einschätzungen auch wirklich belastbar sind.

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VG Freiburg: Totschlagtierfallen unterliegen der Maschinenrichtlinie

VG Freiburg (Breisgau) 9. Kammer vom 14.12.2021 - Az.: 9 K 3417/20

Leitsatz des Urteils:

  1. Totschlagtierfallen unterfallen dem Anwendungsbereich der 9. ProdSV i.V.m. den Vorgaben der Maschinen-RL.(Rn.26)

  2. Nationale bzw. europäische Anforderungen, die insbesondere an die Produktsicherheit von Maschinen zu stellen sind, werden nicht durch das Übereinkommen über internationale humane Fangnormen verdrängt.(Rn.27)

Die Klägerin hatte gegen eine Ordnungsverfügung des RP Tübingen geklagt. Das RP hatte beanstandet, dass die Klägerin Totschlagtierfallen in Verkehr bringt, die nicht den Anforderungen der Maschinenrichtlinie2006/42/EG (MRL) entsprechen. Diese unterlegen der MRL, da diese mittels in einer Feder gespeicherter Energie funktionieren und damit der Maschinendefinition entsprechen. Insofern fehlen eine EG-Konformitätserklärung, eine CE-Kennzeichnung, eine deutschsprachige Betriebsanleitung und auch eine Risikobeurteilung.

Die Klägerin hatte dagegen vorgetragen, dass diese Fallen dem "Übereinkommen über internationale humane Fangnormen zwischen der Europäischen Gemeinschaft, Kanada und der Russischen Föderation vom 14.02.1998, ABl. Nr. L 42 S. 43 (FangnormenÜ)" entsprechen und das dieses die MRL verdrängt.

Der Auffassung der Klägerin ist das Gericht nicht gefolgt, schon, weil beide Regelungen unterschiedliche Schutzziele haben und allein von daher die FangnormenÜ die Anforderungen des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) und der darauf gestützten Maschinenverordnung (9. ProdSV) als nationale Umsetzung der MRL nicht verdrängt. Die FangnormenÜ ist keine "andere Rechstvorschrift" im Sinnen des § 1 Abs. 3 des ProdSG.

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LG Colmar: "Volvo-Fall" Bremskraftverstärker

Landgericht Colmar/Frankreich vom 17.12.2008*)

In 1999 wurden zwei Kinder von einer Frau mit einem Volvo 850 TDI überfahren, weil auf Grund eines technischen Defekts der Bremskraftverstärker nicht richtig funktionierte.

Volvo hatte bereits 1996 bei diesem Fahrzeugtyp technische Änderungen in Bezug auf einen möglichen Bremsendefekt durchgeführt. Die Werkstätten waren angewiesen, bei Routinekontrollen älterer Fahrzeuge, diese auf einen Fehler im Bremssystem zu überprüfen.

Das Gericht sah einen Verstoß gegen die Produktbeobachtungspflicht als erwiesen an. "Der Hersteller habe das Risiko gekannt, aber auf einen allgemeinen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge in die Werkstätten verzichtet."

Die Firma "Volvo" wurde zur Zahlung von 200.000,- € Schadensersatz wegen Verletzung der Produktbeobachtungspflicht verurteilt.

*) Quelle: ZAZ vom 18.12.2008

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LG Hildesheim: Versagen einer Schutzeinrichtung

LG Hildesheim - 4 O 504/01 vom 26.5.2005

Ein Unfallversicherer hatte Ansprüche gegen den Hersteller einer Lederverarbeitungsmaschine gestellt. Die versicherte Bedienerin der Maschine war mit einer Hand in die Maschine eingezogen und schwer verletzt worden.

Das Gericht hat der Klage stattgegeben und u.a. ausgeführt:

"Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aus Anlass des Unfalls ihrer Versicherten xxx vom 10.11.1998 Ersatz ihrer ab dem 01.01.2005 entstandenen und künftig noch entstehenden Aufwendungen zu leisten, soweit die Schadensersatzansprüche der Versicherten der Klägerin auf diese gemäß § 116 SGB X übergegangen sind."

Nach Auffassung des Gerichts hat der Hersteller gegen die gesetzlichen Sicherheitsbestimmungen verstoßen. Ein Sachverständiger war zu dem Ergebnis gekommen, dass u.a. Sicherheitsabstände nicht eingehalten waren und dass die installierte Schutzeinrichtung nicht die Anforderungen der seinerzeit geltenden Steuerungsnorm EN 954 erfüllt hat. Die installierte "Sicherheitsabschaltung" war nämlich nicht -wie entsprechend der Gefahrenlage notwendig- redundant ausgeführt worden.

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LG Essen: Gebrauchsanweisung muss in deutscher Sprache erfolgen

LG Essen - Az.: 44 0 40/19 vom 11.03.2020

Der Beklagte vertreibt Gaswarnmelder über eine Internetplattform in Deutschland. Er fügt diesen Produkten lediglich eine englischsprachige Gebrauchsanleitung bei. Der Beklagte wurde daraufhin von einem Wettbewerber abgemahnt. Da der Beklagte sich nicht im Unrecht sah, kam es zu einer Klage durch den Wettbewerber (Kläger).

Das Gericht hat der Klage stattgegeben und im Urteil u.a. ausgeführt:

1. Der Beklagte hat es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken elektronische Sicherheitstechnik, insbesondere Gaswarnmelder, auf dem Markt bereitzustellen, zum Kauf anzubieten und/oder auf dem Markt bereitzustellen und/oder zum Kauf anbieten zu lassen, ohne eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache mit zu liefern und/oder ohne sich vergewissert zu haben, dass die Sicherheitsinformationen sowie Gebrauchsanleitung auf dem Produkt in deutscher Sprache beigefügt sein.

2. […]

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist begründet.
[…]
Der Beklagte hat gegen § 3a UWG i.V.m. § 3 Abs. 4 Produktsicherheitsgesetz verstoßen, indem er keine deutschsprachige Anleitung zu dem konkreten Produkt, das Gegenstand des Testkaufs (Anmerkung: Durch den Kläger) war, zur Verfügung gestellt hat.

Es entspricht nicht den Voraussetzungen von § 3 Abs. 4 Produktsicherheitsgesetz, eine Gebrauchsanweisung in englischer Sprache zur Verfügung zu stellen. […]

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LG Osnabrück: Tödlicher Arbeitsunfall durch Manipulation einer Sicherheitseinrichtung.

Landgericht Osnabrück, Az. 10KLs 16/13

In zwei Pressemitteilungen (24.2.2013 sowie 23.9.2013) informiert das Landgericht Osnabrück, dass die 10. Große Strafkammer fünf Verantwortliche zweier Glasfirmen aus Dersum sowie einen Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamts rechtskräftig verurteilt hat.

Vollständiges Urteil auf OpenJur.de

Durch Manipulation einer Lichtschranke an einer Glasschleifmaschine, die auf Anweisung eines der Geschäftsführer entfernt worden sein soll, kam es zu einem tödlichen Arbeitsunfall eines Auszubildenden.

Verurteilt wurden

  • ein Geschäftsführer wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde und zu einer Geldstrafe von 100.000,- €, weil dieser nach Überzeugung des Gerichts den Ausbau der Lichtschranke veranlasst hatte.
  • ein Geschäftsführer wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde und zu einer Geldstrafe von 100.000,- €, weil dieser wegen der Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages für das Wohl des Auszubildenden verantwortlich war.
  • der für den Vertrieb zuständige Geschäftsführer zu einer Geldstrafe von 10.000,- €, weil dieser seiner Aufsichtspflicht als Mitbetriebsinhaber nicht nachgekommen war.
  • der Produktionsleiter wegen fahrlässiger Tötung, "da er für die Einteilung des Auszubildenden verantwortlich war und von dem sicherheitswidrigen Zustand der Maschine Kenntnis hatte".
  • der Instandhaltungsleiter zu einer Geldstrafe von 3600,- €, weil er die Lichtschranke ausgebaut hatte.
  • der Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamtes wegen versuchter Strafvereitelung zu einer Geldstrafe von 9000,- €, da dieser falsche Angaben gegenüber der Polizei und der Berufsgenossenschaft gemacht haben soll, um den sicherheitswidrigen Zustande der Maschine zu vertuschen.

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LG Regensburg: Kein Schadensersatz bei missbräuchlicher Wartungsdurchführung

LG Regensburg, -AZ: 6 O 700/13 - vom 10.12.2013

Ein Landwirt hatte bei laufender Maschine seines Düngestreuers ein Schutzgitter zu Wartungsarbeiten entfernt und war mit seiner Hand in den dahinter liegenden drehenden Rührfinger des Düngestreuers geraten. Er machte daraufhin wegen der erheblichen Verletzung seiner Hand Ansprüche aus Produkthaftung gegen den Hersteller des Düngestreuers geltend.

Das Gericht wies die Ansprüche des Landwirts ab und sah die alleinige Schadensursache in dem sorgfaltswidrigen Verhalten des Landwirts. Zwar muss der Hersteller mit der vernünftigerweise vorhersehbaren Fehlanwendung seiner Maschine rechnen und seine Sicherheitsvorkehrungen darauf ausrichten. Allerdings führte das Gericht in der Sache aus:

"Bereits in der Landwirtschaft nicht kundigen Personen, steht bei Betrachtung der gegenständlichen Maschine klar vor Augen, dass man keinesfalls während laufenden Motors und damit laufendem Rührfinger das Schutzgitter entfernen darf, geschweige denn, mit Körperteilen in die Nähe des Rührfingers geraten darf."

LG Stuttgart: Verstoß gegen EG-rechtliche Produktanforderungen

LG Stuttgart -AZ 26 O 466/10- vom 10. April 2012

Das LG Stuttgart hat in seinem Urteil, abgedruckt in NJW-RR 2012, 1169, folgende Klarstellung getroffen:

  1. Hersteller von Maschinen mit großem Gefährdungspotential sind verpflichtet, durch Konstruktion und Benutzerinformation alle zumutbaren und erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Gefahren abzuwenden, die sich aus der Benutzung der Maschine ergeben können. Für  diese Produktsicherheit ist neben den Erwartungen der Verbraucher der jeweilige Erkenntnisstand von Wissenschaft und Technik maßgeblich (BGH, NJW 1994, 3349; OLG Karlsruhe, VersR 2003, 1584 = BeckRS 2001; OLG Düsseldorf, NJW 1997, 2333).
  2. Fehlen bei einer Maschine die aus EG-Recht (Maschinenrichtlinie 98/37/EG, neu 2006/42/EG) in das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) übernommenen Anforderungen, zum Beispiel die zuverlässige Überwachung einer gefährlichen Betriebsart trotz abgegebener Konformitätserklärung, so ist die Maschine fehlerhaft im Sinne des ProdHaftG. Dies führt in entsprechender Anwendung der Rechtssprechung des BGH (BGHZ 104, 323 = NJW 1988, 2611; BGHZ 127, 320 = NJW 1995, 528) zur Umkehr der Beweislast.

Sachverhalt:

Der Bediener einer Maschine hatte bei Reinigungsarbeiten im Tipp-Betrieb erhebliche Verletzungen an der Hand erlitten, als er reflexartig nach einem Lappen griff, der ihm aus der Hand gefallen war. Dabei wurde seine Hand von der Maschine eingezogen.

Entscheidungsründe des Gerichts:
(Auszug / Kurzfassung des Autors)

  • Die Maschine hatte einen Fehler im Sinne von § 3 ProdHaftG
    • Die Maschine verstieß konstruktionsbedingt gegen gesetzliche Sicherheitsbestimmungen
      • Die Untergrenze des anzuwendenden Sicherheitsniveaus wird in der Regel von den anerkannten Regeln der Technik bestimmt
      • Die Anforderungen der Maschinenrichtlinie 98/37/EG waren nicht erfüllt, obwohl der beklagte Hersteller dies in der EG-Konformitätserklärung zugesichert hatte. So war u.a. keine Risikobeurteilung durchgeführt worden. Weiterhin war die Türüberwachung und die Überwachung der reduzierten Geschwindigkeit lediglich über eine Standard-SPS erfolgt. Auch wurde in der Betriebsanleitung nur unzureichend auf an der Maschine bestehende Gefährdungen hingewiesen.
  • Das Inverkehrbringen der mit Sicherheitsmängeln behafteten Maschine war -mindestens- fahrlässig.
  • Durch den Verstoß des Herstellers gegen die einschlägigen Sicherheitsanforderungen hat sich die Beweislast zu Gunsten der Klägerin umgekehrt, so dass der Hersteller nachweisen muss, dass seine Konstruktionsfehler nicht ursächlich für den Unfall waren. Diesen Nachweis hat der beklagte Hersteller nicht geführt.

Siehe hierzu auch:

Das Vorliegen eines Produktfehlers

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AG Limburg: Hohe Geldstrafen für Konstrukteure wegen fahrlässiger Tötung

Amtsgericht Limburg, 31.3.2006

Durch konstruktive Mängel war es mit einem Kreiselmäher zu einem Unfall gekommen, bei dem bereits am 3. April 2002 zwei Jugendliche getötet wurden.

Der Konstrukteur sowie der Konstruktionsleiter wurden, wie man verschiedenen Presseberichten entnehmen kann, wegen Konstruktionsmängeln an der Maschine zu Geldstrafen von 16.200,-  € bzw. 21.600,- € verurteilt. Weiterhin haben sie die Kosten des Verfahrens und die Kosten der Nebenkläger zu tragen. Beide waren wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Der Richter warf den beiden Konstrukteuren vor, dass sie bei der Konstruktion des Kreiselmähers strafrechtlich relevante Fehler gemacht hätten.

Beim Transport der von Ihnen konstruierten Maschine über eine Straße war diese plötzlich ausgeschwenkt und hatte zwei Jugendliche auf dem angrenzenden Bürgersteig erfasst und erschlagen.

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AG München: Schadenersatzanspruch wegen Produkthaftung - Beweislast beim Geschädigten

Amtsgericht München, Urteil, AZ 113 C 2145/21 vom 22.10.2021

In einer Pressemitteilung vom 5.8.2022 teilt das AG München mit:

"Rollrasen

zum Schadenersatzanspruch wegen Produkthaftung bei braunen Flecken nach dem Düngen des Rasens

Mit Urteil vom 22.10.2021 wies das Amtsgericht München die Klage eines Münchners gegen den Hersteller eines Düngers auf Schadenersatz in Höhe von 1244€ ab.

Im Juli 2020 verlegte der Kläger auf seinem Grundstück auf einer Fläche von 28 qm Rollrasen. Anfang August 2020 erwarb er eine 8 kg Packung des von der Beklagten hergestellten und vertriebenen Langzeitrasendüngers, um den verlegten Rasen zu düngen. Die Beklagte bewirbt ihren Dünger mit der Aussage es bestehe keine Verbrennungsgefahr. Um den erworbenen Dünger auszubringen, erwarb der Kläger auch einen Streuwagen.

Der Kläger führt aus, er habe den Dünger im August 2020 mit dem Streuwagen entsprechend den Vorgaben auf trockenem Rasen, ca. 1-2 Tage nach dem Mähen ausgebracht. Er habe nur ca. o,8 kg des Düngers verbraucht, was einer Menge für 30 qm entspreche. Anschließend sei der Rasen ca. 10 Minuten bewässert worden. Nach wenigen Tagen hätten sich auf dem Rasen erhebliche Verbrennungsschäden gezeigt. Diese würden auf einem Produktfehler des Langzeitrasendüngers beruhen. Er habe daher einen Anspruch nach dem Produkthaftungsgesetz.

Die Beklagte führt aus, der von ihr hergestellte Dünger sei fehlerfrei, es sei davon auszugehen, dass der Beklagte das Produkt falsch angewendet habe. Das Schadensbild spreche für eine Überdüngung des Rasens. Der Kläger habe den Rasen wohl nicht genau nach den auf der Verpackung genannten Anweisungen gedüngt und gepflegt.

Das Gericht wies die Klage vollumfänglich ab. Die zuständige Richterin führte in der Begründung aus:

„(…) Ein Anspruch des Klägers aus § 1 ProdHaftG ist nicht ersichtlich. Hierfür müsste der Kläger vortragen und beweisen, dass die Beklagte ein fehlerhaftes Produkt in Verkehr gebracht hat und dem Beklagten durch diesen Fehler ein Schaden entstanden ist.

Vorliegend mangelt es bereits am substanziierten Vortrag eines Produktfehlers. Der Kläger trägt nicht vor, welcher Art der behauptete Mangel des Düngers überhaupt sein soll. Er trägt auch sonst nichts vor, was auf einen Produktfehler, des von der Beklagten in den Verkehr gebrachten Langzeitdüngers, schließen ließe. Der Kläger trägt lediglich einen Schaden vor. Er behauptet wenige Tage nach der Düngung habe der Rasen erhebliche Verbrennungsschäden aufgewiesen. Er legt Lichtbilder vor, auf denen zu erkennen ist, dass der Rasen an einzelnen Stellen braun geworden ist. Für eine teilweise Verbräunung kürzlich verlegten Rollrasens sind jedoch diverse Ursachen denkbar, wie zum Beispiel, mangelndes Anwachsen des aufgebrachten Rollrasens aufgrund von Verlegungsfehlern, mangelnde Wässerung, Wurzelzerstörung durch Schädlingsbefall oder teilweise Überdüngung aufgrund ungleichmäßiger Ausbringung des Düngers. Es kann somit keinesfalls vom Schaden auf einen Fehler des Produkts geschlossen werden. Gegen einen Produktfehler spricht vorliegend schon die Tatsache, dass der Rasen bei angeblich gleichmäßiger Ausbringung nicht gleichmäßig verbräunt ist, sondern lediglich einzelne braune Flecken bestehen. Hätte der Dünger einen grundsätzlichen Mangel, so müsste sich dieser auch auf der gesamten Rasenfläche ausgewirkt haben. Dies ist jedoch ausweislich der Lichtbilder nicht der Fall. (…)“"

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ArbG Aachen: Geheimhaltungsvereinbarung als Catch-all-Klausel ist unzulässig

Arbeitsgericht Aachen, Urteil, AZ 8 Ca 1229/20 vom 13.02.2021

In einem Urteil zum Schutz des Geschäftsgeheimnisses hat das ArbG Aachen gegen das klagende Unternehmen entschieden. Die Klägerin hatte gegen einen ehemaligen Mitarbeiter geklagt, dass dieser entgegen einer Geheimhaltungsvereinbarung Geschäftsgeheimnisse an Dritte weitergegeben habe. Der Beklagte hatte dem widersprochen, insbesondere mit dem Argument, dass es Dritten möglich war durch Reverse Engineering die notwendigen Kenntnisse über das Produkt zu erlangen und es insofern einem Now-How transfer durch ihn gar nicht bedurfte.
Leitsätze zu dem Urteil:

  1. Gibt es zumindest potenziell gleichwertige Konkurrenzprodukte am Markt und trägt der Prozessgegner plausibel vor, dass Konkurrenten sich das zur Produktion dieser Produkte erforderliche Wissen mittels erlaubten Reverse Engineerings verschafft haben können, muss derjenige, der den Schutz des Geschäftsgeheimnisgesetzes in Anspruch nehmen möchte, im Einzelnen darlegen und ggf. beweisen, dass seinen Produkten am Markt nicht bekanntes Wissen zu Grunde liegt. Dazu bedarf es eines konkreten, insbesondere der Beweiserhebung durch ein Sachverständigengutachten zugänglichen Sachvortrags. Darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen sind dabei insbesondere unterschiedliche Eigenschaften der Produkte, weil nur durch einen Produktvergleich nach objektiven Kriterien etwaige Rückschlüsse auf einen Wissensvorsprung gegenüber Konkurrenten gezogen werden können.
  2. Bestreitet der Prozessgegner, dass angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen im Sinne von § 2 Nr. 1 b) GeschGehG getroffen wurden, muss derjenige, der den Schutz des Geschäftsgeheimnisgesetzes in Anspruch nehmen möchte, im Einzelnen und bezogen auf konkrete Informationen darlegen und ggf. beweisen, welche Schutzmaßnahmen er zur Geheimhaltung dieser Informationen ergriffen hat.
  3. Eine allgemein gehaltene arbeitsvertragliche Regelung, die sich uferlos auf alle während des Arbeitsverhältnisses erhaltenen betrieblichen Informationen erstreckt (sog. Catch-all-Klausel) ist keine angemessene Geheimhaltungsmaßnahme im Sinne von § 2 Nr. 1 b) GeschGehG. Es bedarf hierfür vielmehr einer konkreten und transparenten Regelung.

Beachtenswert ist insbesondere, dass das Gericht die Formulierung der Geheimhaltungsvereinbarung als „Catch-All-Klausel“ beanstandet und diese nicht vereinbar mit dem GeschGehG sieht. Damit ist diese Klausel für das AG Aachen unwirksam. Das Gericht führt dazu u.a. aus:

3. […]
a) Die Klausel verlangt die Geheimhaltung aller Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie aller sonstigen, im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangten Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus. Es handelt sich also um eine sog. Catch-all-Klausel, die den Arbeitnehmer bis an sein Lebensende verpflichten soll, jedwede im Rahmen des bisherigen Arbeitsverhältnisses erlangte Information, hier sogar nicht einmal eingeschränkt auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sondern auf sämtliche im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangten Angelegenheiten und Vorgänge uneingeschränkt geheim zu halten. Damit geht die Regelung über das berechtigte Interesse des Arbeitgebers weit hinaus und trägt der besonderen Situation des Arbeitnehmers, der in Wahrnehmung seiner grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit (Art. 12 GG) den Arbeitgeber unter Verwertung seines Fachwissens wechseln können muss, nicht ausreichend Rechnung. Insbesondere für die Zeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses enthält eine Catch-all-Klausel eine übermäßige Vertragsbindung, die gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und somit unwirksam ist. Ein berechtigtes betriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung muss sich auf konkrete Daten und Sachverhalte beschränken und zudem angeben, wie lange nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses die geheimhaltungsbedürftige Tatsache noch geheim zu halten ist (LAG Köln 02.12.2019 – 2 SaGa 20/19, Rn. 14; LAG Hamm 05.10.1988 – 15 Sa 1403/88, Rn. 2; Holthausen, NZA 2019, S. 1377, 1380; Preis, in: Erfurter Kommentar, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB, Rn. 715).

b) Die Unwirksamkeit der Klausel folgt zudem als allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305, § 310 BGB aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine Bindung ohne jede zeitliche Beschränkung und ohne inhaltliche Konkretisierung berücksichtigt nicht ausreichend die grundgesetzlich geschützte Rechtsposition des Arbeitnehmers. Der Gesetzgeber hat mit der Zulassung von (nachvertraglichen) Wettbewerbsklauseln einen angemessenen Ausgleich ermöglicht, der zudem vorsieht, dass die längste mögliche Bindungsfrist zwei Jahre beträgt und hierfür ein finanzieller Ausgleich zu zahlen ist; im Übrigen gelten die Regelungen des GeschGehG, die nur vertraglich konkretisiert werden können (und bei Geheimnisträgern in der Regel müssen). Ein inhaltlich und zeitlich uneingeschränktes Geheimnisschutzgebot führt letztlich dazu, dass der ausgeschiedene Arbeitnehmer in erheblicher Weise seine Berufstätigkeit einschränken muss, ohne dass eine zeitliche Grenze absehbar ist und ein finanzieller Ausgleich hierfür geleistet wird (LAG Köln 02.12.2019 – 2 SaGa 20/19, Rn. 15; Preis, in: Erfurter Kommentar, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB, Rn. 715).

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