Welche "Papiere" müssen eigentlich geliefert werden?

Der öffentlich rechtliche Lieferumfang des Maschinenherstellers ist in Artikel 5 (1) MRL beschrieben. Danach sind dem Käufer zusammen mit der Maschine auszuhändigen:

  • Die EG-Konformitätserklärung gem. Anhang II Teil 1 Abschnitt A
  • Die erforderlichen Informationen (Anhang I, Nr. 1.7 MRL), wie die Betriebsanleitung (Anhang I, Nr. 1.7.4 MRL)

Im Übrigen müssen die technischen Unterlagen zur Vorhaltung für eine Einsichtnahme / Prüfung durch die zuständigen Marktüberwachungsbehörden verfügbar sein (Artikel 5(1) b in Verbindung mit Anhang VII Teil A Nr. 2 MRL).

Was bedeutet dies im Hinblick auf die Risikobeurteilung?

Öffentlich-rechtlich besteht keine Handhabe für den Käufer von Maschinen(-anlagen) / unvollständigen Maschinen, die Risikobeurteilung des Verkäufers herauszuverlangen. Sie ist als Teil der technischen Unterlagen nur für die Prüfung durch die Behörden gedacht.

Im Einzelfall, z.B. bei komplexen Maschinenanlagen, bei denen der Betreiber als Eigenhersteller vorhandene Schnittstellen CE-konform zu bewerten hat oder in Umbausituationen, ist es allerdings durchaus verständlich, wenn vom Käufer die Aushändigung der Risikobeurteilung einer Maschine / unvollständigen Maschine gefordert wird.

Dies kann allerdings nur privatrechtlich im Rahmen des Liefervertrages vereinbart werden. Aufgrund der Privatautonomie haben die Vertragsparteien die Möglichkeit, den Liefer- und Leistungsgegenstand zu bestimmen.

Beispiel für eine Vertragsklausel:

"Zu den vom Verkäufer zu übergebenden Dokumenten gehört auch die Risikobeurteilung gem. den Allgemeinen Grundsätzen des Anhang I der Maschinerichtlinie 2006/42/EG für die zu liefernde Maschine / unvollständige Maschine."

Ohne eine solche "Beschaffenheitsvereinbarung" besteht jedenfalls kein Anspruch des Käufers auf Aushändigung der Risikobeurteilung.

Alternativ kann z.B. vereinbart werden, dass der Betreiber / Käufer anstatt der Auslieferung Einsichtnahme in die Risikobeurteilung des Herstellers/Verkäufers an dessen Firmensitz nehmen kann. In beiden Fällen rechtfertigt sich zudem die Vereinbarung einer Pflicht zur vertraulichen Behandlung der technischen Lösungen des Herstellers, da nicht von der Hand zu weisen ist, dass es sich hierbei um Know-how des Herstellers / Verkäufers handeln kann, welches noch nicht allgemein bekannt und damit schützenswert ist.

EG-Konformitätserklärung für Maschinen

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Wann muss die Konformitätsdokumentation ausgehändigt werden?

Die MRL schreibt in Artikel 5 (1) vor, dass die EG Konformitätserklärung vor dem Inverkehrbringen bzw. der Inbetriebnahme der Maschine dem Benutzer / Verwender auszuhändigen ist.

Während der Zeitpunkt des Inverkehrbringens / der Inbetriebnahme bei Einzelmaschinen regelmäßig keine Fragen aufwirft, wird dies bei Maschinenanlagen oft als ein komplexer, länger andauernder Vorgang verstanden. Erfolgt doch regelmäßig nach Ende der Montagearbeiten erst der sog. "Probelauf" durch den Anlagenhersteller, d.h. die Maschinenanlage wird justiert, eingefahren usw. Die EN ISO 12100 spricht hier von einem "in Betrieb nehmen" im Gegensatz zur "Inbetriebnahme" der fertigen Maschinenanlage durch den Betreiber.

Der Probebelauf des Anlagenherstellers ist aber regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass die Maschinenanlage noch nicht in allen Belangen den Anforderungen der MRL, insbesondere dem Anhang I entspricht, da z. B. Schutzgitter noch nicht angebracht sind, Abdeckungen wieder entfernt werden müssen usw. Eine Ausstellung der EG-Konformitätserklärung und Anbringung der CE-Kennzeichnung ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht zulässig und damit auch kein "in Verkehr bringen". Dieser Probebelauf findet demnach mit einer Maschinenanlage statt, die sich noch in der Herstellungsphase befindet. Der Probelauf zu diesem Zeitpunkt unterliegt deshalb den Bestimmungen des Arbeitsschutzes unter der Verantwortung des Anlagenherstellers. Den Schutzzielen des Anhang I MRL muss die Maschinenanlage erst beim Inverkehrbringen bzw. bei der Inbetriebnahme entsprechen, wobei dies wie bei einer Einzelmaschine ein "Zeitpunkt" und kein "Zeitraum" ist.

Es besteht daher ein Bedürfnis nach einer Regelung des sog. "Sicherheitstechnischen Gefahrenüberganges", d.h. des Zeitpunktes, zu dem der Probelauf des Anlagenherstellers abgeschlossen ist, die Maschinenanlage den öffentlich-rechtlichen Anforderungen wie der MRL entspricht und die Maschinenanlage in Verkehr gebracht bzw. in Betrieb genommen werden kann. Hierzu kann man sich privatrechtlich z.B. einem von beiden Vertragsparteien zu unterzeichnenden Inbetriebnahmeprotokoll bedienen, bei dem der Betreiber / Käufer nicht nur bestätigt, dass z. B. die mechanische Funktionsfähigkeit der Maschinenanlage gewährleistet ist, oder z. B. die Produktion für einen 24 Stundenbetrieb erfolgreich nachgewiesen ist, sondern eben auch, dass die Maschinenanlage die öffentlich-rechtlichen Anforderungen der MRL erfüllt ("CE-Abnahme"). Ab diesem Zeitpunkt ist dann der Betreiber / Käufer gem. § 7 (5) BetrSichV dafür verantwortlich, dass dieses Sicherheitsniveau während des weiteren Betriebs der Maschinenanlage nicht unterschritten wird.

Beispiel für eine Vertragsklausel im Inbetriebnahmeprotokoll:

"Mit erfolgter Inbetriebnahme des Liefergegenstandes wird dieser dem Käufer erstmalig zur bestimmungsgemäßen Benutzung zur Verfügung gestellt. Der Verkäufer bestätigt, dass der Liefergegenstand zu diesem Zeitpunkt die Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und der anderen einschlägigen europäischen Richtlinien der Gemeinschaft erfüllt und damit sicher funktioniert und benutzt werden kann."

Dies schließt nicht aus, dass weitere vertragliche Regelungen z.B. zu der Qualität der Maschinenanlage über diesen "sicherheitstechnischen Gefahrenübergang" hinaus, notwendig sind. Mit der "CE-Abnahme" muss deshalb nicht gleichzeitig eine "Qualitätsabnahme" einhergehen. Diese kann und wird in der Regel zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, wenn z.B. über Test- oder Garantieläufe die produktspezifischen Leistungswerte der Maschinenanlage nachgewiesen sind. Vorteil einer solchen zweigeteilten Abnahme ist, dass der Betreiber nach der "CE Abnahme" mit der Anlage aus öffentlich rechtlicher Sicht produzieren darf, da sie "sicher" ist.


Lebensphasen einer Maschine / Gesamtheit von Maschinen

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