Gesamtheit von Maschinen = Maschinen im Sinne der Maschinenrichtlinie

Gesamtheit von Maschinen
Gesamtheit von Maschinen
Gesamtheit von Maschinen
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Anlagen sind regelmäßig eine "Gesamtheit von Maschinen" und damit eine "Maschine" im Sinne von Artikel 2 a), 4. Spiegelstrich Maschinenrichtlinie 2006/42/EG oder setzen sich aus mehreren solcher Gesamtheiten zusammen:

"‘Maschine‘ eine Gesamtheit von Maschinen […] oder von unvollständigen Maschinen […], die, damit sie zusammenwirken, so angeordnet sind und betätigt werden, dass sie als Gesamtheit funktionieren"

Erforderlich ist nach gängiger Interpretation ein produktionstechnischer und sicherheitstechnischer Zusammenhang von "Maschinen" bzw. "unvollständigen Maschinen". Liegt ein solcher Zusammenhang, auch schon mal als "tiefgreifende Verkettung" bezeichnet, vor, dann ist für diese Anlage als "Gesamtheit von Maschinen" eine EG-Konformitätserklärung auszustellen und die CE-Kennzeichnung anzubringen. Eine solche Anlage wird im allgemeinen Sprachgebrauch auch als "Maschinenanlage" bezeichnet.

In der Praxis wird das Thema "Gesamtheit von Maschinen" im Sinne der Maschinenrichtlinie teilweise kontrovers diskutiert, insbesondere in Verbindung mit sogenannten verfahrenstechnischen Anlagen. Siehe hierzu ausführlich Ostermann in "Verfahrenstechnische Anlagen versus Maschinenrichtlinie" Als Hilfestellung für die Praxis in Deutschland haben deshalb das BMAS und die Länder ein sog. "Anlagen-Interpretationspapier" erarbeitet. Nahezu gleichlautend interpretiert auch die EU Kommission in § 38 "Gesamtheiten von Maschinen" ihres Leitfadens zur Maschinenrichtlinie 2006/42/EG.

Gleichwohl bestehen beim Inverkehrbringen von Anlagen weitere Auslegungsfragen, die die Parteien bei einem Anlagenprojekt im Rahmen ihrer Vertragsverhandlungen – am besten zu deren Beginn – berücksichtigen sollten. Denn die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ist in einigen Punkten vage und daher durch privatvertragliche Vereinbarungen auslegungs- bzw. ergänzungsfähig, wie nachfolgend beschrieben. Siehe auch Dannecker/Ostermann in "‘Regelungslücken‘ privatvertraglich ausgleichen" bzw. der englischen Fassung "Closing of "loopholes" through private contracts".

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Wer ist Hersteller der Gesamtheit von Maschinen (Anlage)?

Anlagenhersteller?
Ich nicht!

Da die Anlage als Maschine im Sinne von Artikel 2 a), 4. Spiegelstrich Maschinenrichtlinie 2006/42/EG zu werten ist, kommen auf den Hersteller vor dem Inverkehrbringen bzw. im Rahmen der Eigenherstellung der Inbetriebnahme der Anlage vielfältige Aufgaben zu:

Er muss nach Artikel 5 Abs. 1:

Es ist daher bei einem Anlagenprojekt, bei dem mehrere Projektbeteiligte sicherheitsrelevante Aufgaben und Leistungen durchführen unabdingbar, dass die vertragsverhandelnden Parteien – vor Vertragsschluss – sich darüber einig sein, wer Anlagenhersteller ist und damit für den Prozess der CE-Kennzeichnung der Anlage verantwortlich zeichnet.

Denn die Definition des Artikel 2 i Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ist leider nicht eindeutig:

"‘Hersteller‘ jede natürliche oder juristische Person, die eine von dieser Richtlinie erfasste Maschine oder eine unvollständige Maschine konstruiert und / oder baut und für die Übereinstimmung der Maschine oder unvollständigen Maschine mit dieser Richtlinie im Hinblick auf ihr Inverkehrbringen unter ihrem eigenen Namen oder Warenzeichen oder für den Eigengebrauch verantwortlich ist."

Danach kommen per se – jedenfalls bei Anlagen, für die kein Generalunternehmer verantwortlich zeichnet – grundsätzlich mehrere Beteiligte als Anlagenhersteller in Frage:

  • Der Anlagenplaner
    (eine von dieser Richtlinie erfasste Maschine … konstruiert)
  • Der Anlagenbauer
    (… oder baut)
  • Der sog. Eigenhersteller
    (… oder für den Eigengebrauch verantwortlich ist)

Daneben kann per Vertrag aber auch ein Dienstleister als Generalunternehmer mit den Aufgaben der CE-Konformität der Anlage betraut werden.

In allen Fällen muss demjenigen, der als Hersteller diese Aufgabe im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Maschinenrichtlinie 2006/42/EG durchführt, bewusst sein, dass er damit auch die Gesamtverantwortung für die Umsetzung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen an die Anlage übernimmt. Der entsprechende Vertragspartner sollte daher die sicherheitstechnischen Eigenschaften der Anlage jederzeit beeinflussen können und "letztinstanzlich" zuständig sein, entsprechende Entscheidungen zu treffen.

Dazu gehören u.a. die sicherheitstechnische Gesamtplanung (das sog. "Detailengineering"), die Beschaffungshoheit, d.h. der Prozess der Auswahl der einzelnen Komponenten, die Ausführungshoheit im Sinne der Montage der Komponenten und die steuerungstechnische Verknüpfung der Anlage.

Wo dies – wie oft der Fall – nicht selbstredend ist, sollten die Vertragsparteien im Anlagenvertrag regeln, wer als Hersteller i.S. von Art. 2 i) Maschinenrichtlinie 2006/42/EG die Gesamtverantwortung für die Konformität der Anlage übernimmt.

MRL Artikel 5(1)

Formulierungsbeispiel:

"Die Parteien sind sich einig, dass der [ XYZ ] die Aufgaben von Artikel 5 Absatz 1 der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, umgesetzt in nationales Recht durch das ProdSG in Verbindung mit der 9. ProdSV, für die in Verkehr zu bringende Anlage als deren Hersteller übernimmt"
(vgl. Dannecker / Ostermann "Regelungslücken privatvertraglich ausgleichen")"

Falls der Auftragnehmer vertraglich die Herstellerverantwortung für die Konformität der Anlage übernimmt, darf sich der Auftragnehmer in seinen Pflichten als Hersteller nicht in seinen Kompetenzen beschneiden lassen. Er muss sich jederzeit bewusst sein, dass er die Verantwortung für die Konformität seiner Anlage trägt und damit "den Hut aufhat". Insofern ist ihm z.B. auch dringend zu raten, dass er im Hinblick auf vom Auftraggeber beigestellte (unvollständige) Maschinen vertragliche Mitwirkungspflichten im Hinblick auf deren Auswahl und Konformität übernimmt. Er ist schließlich auch für solche Beistellungen im Rahmen der Konformitätsbewertung seiner Anlage verantwortlich. Sämtliche Projektänderungen sind daher mit ihm im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Konformität der Anlage abzustimmen.

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