Der Umbau von Gesamtanlagen

Schritt 1

Soll eine vorhandene (Alt-)Anlage umgebaut werden, dann erfolgt ein solcher Umbau grundsätzlich nach den Regeln des Arbeitsschutzes, da die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG nur das erstmalige Bereitstellen von Maschinen auf dem EU-Binnenmarkt regelt. Es gilt insbesondere die Arbeitsmittelbenutzungsrichtlinie 2009/104/EG, in Deutschland umgesetzt durch die Betriebssicherheitsverordnung - BetrSichV -. Zuständig für die Beurteilung der Sicherheit des Anlagenumbaus ist danach der Auftraggeber, der als Anlagenbetreiber in seiner Rolle als Arbeitgeber die Anlage seinen Beschäftigten zur Verfügung stellt. Er muss die Gefährdungen, die durch den Umbau der Anlage entstehen und die damit verbundenen Risiken für die Sicherheit und Gesundheit seiner Mitarbeiter durch eine Gefährdungsbeurteilung eruieren. Durch die BetrSichV ist er auch dazu verpflichtet, zu ermitteln, ob sich für ihn durch den Umbau Verpflichtungen aus dem Produktrecht ergeben. Siehe hierzu § 10 Abs. 5 der BetrSichV:

"(5) Werden Änderungen an Arbeitsmitteln durchgeführt, gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend. Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass die geänderten Arbeitsmittel die Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen nach § 5 Absatz 1 und 2 erfüllen. Bei Änderungen von Arbeitsmitteln hat der Arbeitgeber zu beurteilen, ob es sich um prüfpflichtige Änderungen handelt. Er hat auch zu beurteilen, ob er bei den Änderungen von Arbeitsmitteln Herstellerpflichten zu beachten hat, die sich aus anderen Rechtsvorschriften, insbesondere dem Produktsicherheitsgesetz oder einer Verordnung nach § 8 Absatz 1 des Produktsicherheitsgesetzes ergeben."

Auf der anderen Seite ist es selbstverständlich, dass neue Maschinen bzw. unvollständige Maschinen, die im Rahmen eines Umbaus in die Anlage eingebaut werden, erstmalig auf dem Markt bereitgestellt werden und daher den für sie geltenden Rechtsvorschriften des Maschinenrechts, d.h. insbesondere der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG entsprechen müssen.

Zwar wird man danach in vielen Fällen zu dem Ergebnis kommen, dass die Anlage durch den Austausch von Komponenten, Maschinen und unvollständigen Maschinen bzw. den Einbau einer neuen Steuerung sicherer wird. Selbstverständlich ist dies jedoch nicht. Nicht selten werden ungewollt neue Gefährdungen geschaffen. Dies z.B. durch eine Vergrößerung der Anlage, Änderung des Anlagenkonzepts, Einbau von zusätzlichen neuen Maschinen bzw. unvollständigen Maschinen oder eine Leistungssteigerung. Diese neuen Gefährdungen sind dann regelmäßig verbunden mit Risiken im Gefahrenbereich der Anlage, d.h. nicht nur für das Bedienungspersonals, sondern ggf. weit darüber hinaus. Diese muss dann durch sicherheitstechnische Maßnahmen begegnet werden. Auch kann es durch den Umbau zu einer Risikoerhöhung bei bereits vorhandenen Gefährdungen kommen, die sicherheitstechnische Maßnahmen bedingen.

Es wird daher erforderlich sein, im Rahmen einer Risikobeurteilung zu ermitteln, ob die Altanlage aufgrund dieser neuen Risiken so wesentlich verändert wird, dass sie produktrechtlich als neue "Gesamtheit von Maschinen" gilt. Eine solche neue Anlage muss daher den Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen und auch den formale Anforderungen der Maschinenichtlinie 2006/42/EG zum Zeitpunkt des erneuten Bereitstellen auf dem Markt bzw. im Rahmen der Eigenherstellung zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme entsprechen - siehe Artikel 5(1) "Herstellerpflichten").

Zuständig hierfür ist, wie erwähnt, grundsätzlich der Auftraggeber / Anlagenbetreiber im Rahmen seiner Arbeitgeberfunktion.

wesentliche Veränderung?

Zur Frage "wesentliche Veränderung ja/nein" kann er sich dabei des Interpretationspapieres

"Wesentliche Veränderung von Maschinen"
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und der Länder
vom 09.04.2015

bedienen.

Danach empfiehlt es sich für den Anlagenbetreiber, im Rahmen einer Risikobeurteilung die folgenden Prüfungen durchführen:

  • Ist die Gesamtanlage nach Veränderung ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen sicher?
  • Ist die Gesamtanlage nach Veränderung ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen nicht mehr sicher, die festgestellte neue Gefährdung oder das erhöhte Risiko können aber durch einfache Schutzeinrichtungen beseitigt oder zumindest auf ein akzeptables Maß minimiert werden?

In diesen Fällen liegt keine wesentliche Veränderung vor und der Umbau erfolgt ausschließlich nach Maßgabe der BetrSichV.

  • Ist die Gesamtanlage nach der Veränderung ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen nicht mehr sicher und eine ausreichende Risikominderung kann durch einfache Schutzeinrichtungen nicht erreicht werden?

In diesen Fällen wird die Anlage im Sinne des o.g. Interpretationspapieres so wesentlich verändert, dass durch den Umbau formal eine neue "Gesamtheit von Maschinen" entsteht, die unter die Bestimmungen der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, in Deutschland umgesetzt mit dem Produktsicherheitsgesetz – ProdSG -  und der Maschinenverordnung - 9. ProdSV -, fällt.

Damit tritt dann wieder – wie beim erstmaligen Inverkehrbringen einer neuen "Gesamtheit von Maschinen" – die Frage auf, wer als Hersteller der umgebauten Anlage die Gesamtverantwortung für deren Konformität im Sinne der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG übernimmt. Dies insbesondere dann, wenn ein Auftragnehmer wesentliche Teile, wie Maschinen, unvollständige Maschinen, Steuerungen oder z.B. auch Druckgeräte liefert und auch installiert. Grundsätzlich gelten auch hier die Ausführungen zum Herstellerbegriff weiter oben entsprechend.

D.h. auch in Fällen des Vorliegens einer wesentlichen Veränderung einer Anlage sind die beteiligten Parteien gut beraten, am Beginn des Umbauprojektes vertraglich festzulegen, wer als Hersteller der dann neu in Verkehr zu bringenden umgebauten "Gesamtheit von Maschinen" die Aufgaben im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Maschinenichtlinie 2006/42/EG übernimmt.

Entsprechend zu den Ausführungen zum Herstellerbegriff weiter oben kann im "Umbau-Vertrag" wie folgt formuliert werden:

"Die Parteien sind sich einig, dass der XYZ die Aufgaben des Herstellers im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 der MaschinenRL 2006/42/EG, umgesetzt in nationales Recht durch das ProdSG in Verbindung mit der 9. ProdSV, für die durch den Umbau neu in Verkehr zu bringende Gesamtanlage (Gesamtheit von Maschinen) übernimmt."

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