Einleitung

Vertrag kommt von Vertragen

Der Anlagenbau ist ein Projektgeschäft, an dem regelmäßig mehrere Unternehmen beteiligt sind, d.h. in der Regel der spätere Betreiber der Anlage (nachfolgend der Einfachheit halber "der Auftraggeber") und der Anlagenbauer (nachfolgend der Einfachheit halber "der Auftragnehmer"). Aber natürlich können auch Planungsunternehmen, Steuerungsbauer, Montageunternehmen usw. am Bau einer Anlage beteiligt sein.

Typischerweise sind Anlagen keine Katalogprodukte, d.h. einfach über Bestellungen nachzufragende Produkte, sondern auf das konkrete Bedürfnis des Auftraggebers angepasste ("taylor-made") Maschinen und Anlagenteile bzw. neu entwickelte Spezialanfertigungen.

Auftraggeber und Auftragnehmer gehen in Anlagenprojekten regelmäßig eine relativ lang andauernde Beziehung ein. Von der Anlagenplanung bis zur Abnahme der Anlage können durchaus Monate vergehen. Dabei erfordern Anlagen regelmäßig große Investitionen auf allen Ebenen. Sie können dem Auftraggeber erheblichen Mehrwert und eine große Wertschöpfung verschaffen, aber auch zu wirtschaftlichen Risiken führen und sogar die Existenz des Kundenbetriebes gefährden. Vor diesem Hintergrund hat der Anlagenvertrag für alle Beteiligten eine große Bedeutung.

Ein Anlagenvertrag hat daher alle Charakteristika des Projektgeschäfts zu berücksichtigen, d.h. die technischen, organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Besonderheiten des Projekts. Dazu soll er für einen fairen Ausgleich unter den Beteiligten unter Berücksichtigung der projektspezifischen Chancen und Risiken sorgen ("Vertrag" kommt von "vertragen").

Insgesamt kann man durchaus feststellen, dass Anlagenverträge insbesondere für den Nichtjuristen eine sehr komplexe Materie darstellen. Nicht nur dass der Umfang solcher Verträge aufgrund der vielfältigen Regelungen in dessen formellen Teil sowie den Anhängen zum Vertrag nicht selten 100 und mehr Seiten umfasst.
Auch der Inhalt des Vertrages mit seinen vielfältigen Liefer- und Leistungsverpflichtungen – und zwar beider Parteien (Auftraggeber und Auftragnehmer) – sowie den Regelungen bezüglich der Verantwortlichkeiten der Parteien erfordern in ihrer Gesamtheit für den Nichtjuristen ein großes Maß an Bereitschaft, sich in diese Materie einzuarbeiten.

Anlagenverträge sind dabei keine juristische Wissenschaft (wenngleich zugegeben einige Regelungen vornehmlich juristischer Natur sind), sondern Vertragshandwerk. Einen guten Anlagenvertrag sollte daher auch ein Kaufmann (also vor allem der Ein- und Verkäufer), als auch der Techniker (zu denken ist hier an den Projektmanager, aber auch den CE-Koordinator, den Konstrukteur und den für die technische Dokumentation verantwortlichen Mitarbeiter) verstehen und die daraus notwendigen Schlüsse ziehen können.

Diese Übersicht soll die Zusammenhänge dieser komplexen Materie darstellen und den Beteiligten eine Hilfestellung bei der Ausarbeitung eines Anlagenvertrags geben.

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Rechtsnatur des Anlagenvertrages

Der Anlagenvertrag lässt sich nicht zwingend in die vom Bürgerlichen Gesetzbuch -BGB- beschriebenen schuldrechtlichen Verträge einordnen. Er enthält üblicherweise neben der Übergabe der Anlage und Verschaffung des Eigentums hieran (Kaufvertrag im Sinne der §§ 433ff BGB) eine Vielzahl von weiteren Verpflichtungen des Auftragnehmers – aber auch des Auftraggebers – die über den reinen Warenaustausch ("Ware gegen Geld") hinausgehen. Zu nennen sind hier z.B. Planung, Engineering, Verschaffung der erforderlichen Komponenten, Baustelleneinrichtung, Montage, Inbetriebnahme, Abnahme mit Nachweis von Leistungswerten und Schulung des Bedienungspersonals. Jedenfalls bei "taylor made" Anlagen, bei denen diese speziell für die Bedürfnisse des Auftraggebers geplant, konstruiert und passgenau in das Gebäude des Auftraggebers eingepasst oder mit anderen Maschinen/Anlagen des Auftraggebers zusammengefügt werden, steht daher nicht die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz im Vordergrund. Vielmehr bilden "kauffremde" Inhalte den Schwerpunkt der Leistung, so dass man in diesen Fällen zu Recht von einem Werkvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter sprechen kann (u.a. von Westphalen, BB 1971, 1126; MünchKomm.-Soergel, § 631 Rdnr. 232; a.A. Palandt, Rdnr. 22 vor § 631 BGB "Geschäftsbesorgung mit Werkvertragscharakter").

taylor made

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